Das Grab des Salomon
Nathan nach Hause zurückkehrte. Die Beziehung hatte ein knappes Jahr gedauert und war danach im Sand verlaufen. Josh und Nate standen sich zu nah, seine Gegenwart hatte immer irgendwie zwischen ihnen gehangen. Begonnen hatten sie als Freunde, beendet hatten sie ihre Liebschaft auf dieselbe Weise, obwohl sie danach mehr Abstand zueinander wahrten.
Draußen auf der Straße tauchte das Licht von Scheinwerfern auf, die vor ihrem Haus anhielten. Ihr Herz raste in einer Mischung aus Beklommenheit und Besorgnis. Je mehr sie über diese Verabredung nachdachte, desto mehr fragte sie sich, ob sie nicht einen Schritt zurückging. Sie hatte sich ein Leben aufgebaut und war glücklich. Alleine, aber glücklich.
Nate stieg aus und ging den Weg entlang auf die Tür zu. Vielleicht, dachte sie, während sie die eigensinnige Strähne in ihrem Haar bändigte und die Tür öffnete, war es doch kein Schritt zurück, sondern einer nach vorn. Sie hatten sich beide Zeit genommen, eigenständige Persönlichkeiten zu werden. Vielleicht waren sie bereit für einen neuen Versuch.
Ja, genau , dachte sie. Die Atheistin und der Pastor. Hervorragender Stoff für einen interessanten Film. Anscheinend hatte sie in jener Nacht vor fünf Jahren doch nicht ihren gesamten Zynismus durch den Ausguss gelassen. Der Gedanke beunruhigte sie.
»Hallo«, begrüßte Nate sie, als er auf die Veranda trat.
Geistig drückte sie jenen Badewannenhebel erneut und sandte die düstere innere Stimme durch den Abfluss. Sie ging auf ihn zu und zog ihn in eine lange, wortlose Umarmung. Dadurch zeigte sie zu viel Schwäche, doch in jenem Augenblick kümmerte sie das nicht. Sie verspürte den Drang, festgehalten zu werden, und zwar von Nate und niemandem sonst.
»Du hast mir gefehlt«, gestand sie. Er musste gespürt haben, wie dringend sie seine Nähe brauchte, denn er löste sich nicht von ihr. Stattdessen flüsterte er: »Du mir auch.«
Von da an stellte Elizabeth das Denken ein. Sie schwelgte einfach in der Geborgenheit und Liebe, die sie für immer verloren gewähnt hatte. Vielleicht war dem auch so. Im Augenblick jedoch war sie glücklich.
Kapitel Vierundzwanzig
Das Sole Proprietor in Worcester hatte seine Größe seit Nathans letztem Besuch verdreifacht. In gewisser Weise empfand er es als Erleichterung, dass ihr früheres gemeinsames Lieblingsrestaurant sich nicht nach den ›guten alten Zeiten‹ anfühlte. Stattdessen fühlte es sich neu an; Elizabeth fühlte sich neu an. In den Jahren seit dem Ende ihrer Beziehung war ihm klar geworden, wie sehr Elizabeth und er von einander abhängig gewesen waren. Während er nun mit ihr in diesem Denkmal ihrer gemeinsamen Vergangenheit saß, begriff er, dass sie beide von der Zeit der Trennung profitiert hatten.
Die Verbundenheit zwischen ihnen fühlte sich nach wie vor stark an, aber sie besaßen beide mehr Selbstbewusstsein als Individuen. Sie unterhielten sich über Ereignisse, die sich im Lauf der Jahre in der Stadt zugetragen hatten, und darüber, wer noch dort lebte und wer nicht mehr. Das Gespräch geriet nie ins Stocken, wurde nie unbehaglich. Wenn wunde Punkte berührt wurden, schwenkte Elizabeth stets mit einem raschen »Lass uns das Thema wechseln« in eine neue Richtung. Das war eine Eigenschaft an ihr, die sich nicht geändert hatte. Elizabeth O‘Brien hatte noch nie ein Blatt vor den Mund genommen.
Ähnlich wie im Pausenraum saßen sie an aneinandergrenzenden Ecken des kleinen Tisches. So hatten sie in Restaurants immer gesessen. An jenem Abend waren sie völlig natürlich, ohne verlegenes Zögern in ihre alte Gewohnheit verfallen. Das Essen erwies sich als so köstlich wie früher. In einem Restaurant in New England schmeckten Meeresfrüchte stets frisch, in Florida hingegen importiert, obwohl dem keineswegs so war – schließlich war Florida vom Ozean umgeben. Als er den Gedanken Elizabeth gegenüber erwähnte, lachte sie und meinte, dass es zu Hause immer am besten schmeckte.
Danach wurde sie still. Nathan vermutete, dass ein Restschmerz, ein Gefühl des Verlusts nie ganz aus ihrem Innersten verschwinden würde. Oder vielleicht würde er in der Lage sein, diese leere Stelle in ihr zu füllen. Sofort schalt er sich für seinen Optimismus. Genieß ihre Gesellschaft, dachte er bei sich, und triff keine Annahmen.
»Gestern Abend war ich bei Josh im Laden«, sagte er. »Seid ihr zwei noch regelmäßig in Kontakt?«
Elizabeth zuckte mit den Schultern. »Nicht mehr so sehr wie früher.« Sie aß ein
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