Das Grab des Salomon
nippte an ihrem Kaffee und stand vom Tisch auf. »Gib mir den Teller«, forderte sie ihn auf. »Ich hole dir noch Rührei.«
Nathan hob die Hand und bedeutete ihr, sich wieder zu setzen. »Mom, bitte! Entspann dich. Ich bin voll. Wenn ich noch mehr esse, platze ich.«
Sie zögerte. Ihre Augen zuckten hin und her, als ginge sie eine Liste von Aufgaben durch und versuchte zu entscheiden, ob noch etwas zu erledigen war. Schließlich nahm sie fast widerwillig Platz. Ihre kräftigen Finger umspielten geistesabwesend die Kaffeetasse, umfassten sie nie richtig, konnten aber auch nicht gänzlich von ihr lassen.
Nathan lehnte sich zurück und legte die Gabel beiseite. »Du warst noch nie so unruhig«, stellte er fest. »Zumindest nicht, soweit ich mich erinnern kann.«
Beverly blickte auf den Tisch, auf die Tasse, auf den Kühlschrank – überallhin, außer zu ihm. »Ich brauche einfach etwas zu tun. Ich mache mir wegen Pastor Hayden und allem anderen solche Sorgen.«
Nathan beugte sich vor. »Warum bist du gestern Abend nicht zum Bibelunterricht gekommen? Das hätte dich eine Weile von anderen Dingen abgelenkt.«
Beverly zuckte mit den Schultern, dann stieß sie ein langes, fast heulendes Seufzen aus.
»Ach, ich weiß auch nicht, Nate. Eigentlich wollte ich ja hingehen, aber es war der erste Bibelunterricht, den du alleine geleitet hast, und irgendwie dachte ich, da kannst du es nicht gebrauchen, dass deine Mutter wie eine Glucke über dich wacht.«
Nathan lächelte. »Das hättest du nicht getan.«
»Trotzdem. Du musst dich als eigenständiger Mann etablieren, nicht als mein Sohn.«
Was sie sagte, ergab durchaus Sinn, dennoch beunruhigte es ihn. »Mom, das Letzte, was ich möchte, ist, dass du meinetwegen der Kirche fernbleibst.«
»Es gab auch andere Gründe.« Bei diesen Worten begannen ihre Augen abermals, ziellos durch den Raum zu wandern. Nathan glaubte, zumindest einen der Gründe zu erahnen.
»Dad?«
Sie nickte. »Gestern Abend war er zu Hause, den ganzen Abend. Das war wunderbar, obwohl er nicht besonders gesellig ist. In letzter Zeit wirkt er ständig so deprimiert, so ausgelaugt. Inzwischen sorge ich mich weniger, dass er trinkt, als dass er vielleicht irgendwelche ... Drogen nimmt.« Die beiden letzten Worte flüsterte sie. Kurz spielte Nathan mit dem Gedanken, ihr anzuvertrauen, dass seine eigenen Vermutungen in eine sehr ähnliche Richtung gingen, doch sie war auch so schon überreizt genug.
»Wir werden schon bald erfahren, was das große Geheimnis ist.« Damit stand er auf. Seine Mutter tat es ihm gleich und wirkte erleichtert darüber, nicht mehr stillsitzen zu müssen.
»Sei vorsichtig, Nate. Art behauptet zwar, dass an dieser Gruppe nichts anrüchig sei, aber ich weiß, dass irgendetwas damit nicht stimmt. Dir ist es doch auch aufgefallen, oder? Und du bist erst seit kurzem wieder hier.«
»Ich habe nie gesagt, dass ich denke, der Klub könnte irgendwie anrüchig sein.«
Einen Augenblick bedachte ihn Beverly mit einem mütterlichen Starren, aus dem sprach: Versuch nicht, mich zu verschaukeln; ich weiß es besser . »Trotzdem ist an diesem Verein etwas seltsam, und das ist dir aufgefallen.« Es war keine Frage.
Nathan lächelte. »Ja, das stimmt. Und jetzt mache ich mich auf den Weg, um herauszufinden, was es ist.« Er umarmte seine Mutter, und sie zerdrückte ihn förmlich. Dabei flüsterte sie ihm ins Ohr. »Sei vorsichtig. Ich werde für dich beten.« Nathan spürte, wie eine Träne seiner Mutter auf seiner Wange landete.
»Das wird das Beste sein, Mom. Mehr, als du wissen kannst.«
Schließlich löste sie sich von ihrem Sohn. Sie strich ihm das Hemd glatt und wischte ihm und ihr die Tränen aus dem Gesicht. »Ich werde Nadine anrufen und sie bitten, ebenfalls zu beten«, fügte sie hinzu. »Hilf deinem Vater, wenn du kannst, Nate.«
Nathan versprach, dass er es versuchen würde, und half ihr ungeachtet ihrer vehementen Einwände, den Tisch abzuräumen. Danach ging er. Um elf Uhr hatte er einen Termin mit einem Mitglied der Gemeinde, das sich beim Schifahren am Wochenende in Colorado beide Beine gebrochen hatte. Somit blieben ihm zwei Stunden für seinen Abstecher zum Herrenklub. Je früher er es hinter sich brachte, desto besser. Zum wiederholten Male überlegte er, wie sein Vater darauf reagieren würde, wenn er herausfand, dass Nathan sich den Ort angesehen hatte. Nach ihrem jüngsten Telefongespräch zu urteilen, vermutlich nicht besonders gut.
Kapitel Dreiunddreißig
Nathan
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