Das Grab im Moor
steilen Rodelberg am Leuchtturm gab, den man meistens ganz für sich allein hatte. Den anderen war es nämlich viel zu umständlich, die Fähre zu nehmen. Erst recht, wenn man, so wie sie, abends fahren wollte.
An diesem Morgen war Großvater gewesen wie immer, aber Karl hatte den ganzen Tag über an seine Großmutter denken müssen. Die anfängliche Erleichterung war einer neuen Form von Unruhe gewichen. Auch seine Großmutter hatte die Lilly gespielt. Was, wenn . . . Was, wenn das etwas zu bedeuten hatte? Wenn das Schicksal ihm etwas mitteilen wollte? Wie groß war die Wahrscheinlichkeit, dass seine Großmutter und seine beste Freundin im Abstand von genau fünfzig Jahren rein zufällig dieselbe Rolle bekamen?
Und was auch immer Doktor Ekwall und Sonja Svärd planten, Karl wurde das Gefühl nicht los, irgendwie in die ganze Sache verstrickt zu sein.
Die Frage war nur, wie er Sara dazu bringen konnte, ihm zuzuhören.
Nachdenklich holte er den alten Plastikbob aus Großvaters Garage. Er war schon lange nicht mehr Schlitten gefahren. Zu Hause in der Stadt war es ihm kindisch vorgekommen, obwohl er eigentlich Spaß daran hatte.
Sjölunds Hund durfte auch mitkommen. Der Retriever wedelte glücklich mit dem Schwanz, und bevor Karl ihn anleinen konnte, tobte er schon durch den Schnee davon. Karl spurtete los, um den Hund wieder einzufangen, bevor er irgendetwas anstellen konnte, aber der Retriever kam schon von selbst zurück. Karl atmete auf – bis er bemerkte, dass der Hund völlig verdreckt war.
Ganz offensichtlich hatte er irgendetwas ausgebuddelt. Karl hoffte inständig, dass es nicht Frau Bengtssons Blumenbeet war.
Er leinte den Hund an und eilig liefen sie in Richtung Hafen. Unten an der alten Eiche fing Sjölunds Hund plötzlich an zu bellen und wie verrückt zu ziehen.
»Aus!«, rief Karl streng. »Wir haben jetzt keine Zeit für solchen Quatsch!«
Aber da wurde ihm klar, wo der Hund sich so dreckig gemacht hatte: rund um den Baum war der Boden voller Löcher und Gruben. Aber er konnte doch unmöglich . . . nein, er war ja kaum eine Minute weg gewesen. Seltsam. Wer wollte denn mitten im Winter etwas einpflanzen?
»Karl!«, rief Oskar. »Beeil dich! Die Fähre legt in zehn Minuten ab!«
Vor Schrott-Janssons Laden stolperten sie fast über Sara. Seit ihrer unangenehmen Begegnung vor dem Bürgerhaus hatte Karl nicht mehr mit ihr gesprochen. Sie sah krank aus, blass, mit dunklen Ringen unter den Augen. Karl machte sich Sorgen, aber er wusste nicht, was er sagen sollte. Er wollte auf keinen Fall, dass sie wieder so abweisend reagierte.
»Sara!«, rief Sebastian fröhlich. »Kommst du mit nach Hundarö zum Schlittenfahren?«
Sie schüttelte wortlos den Kopf.
»Was ist los mit dir?«, feixte Oskar. »Du siehst ja aus, als hättest du ein Gespenst gesehen.«
Saras Blick flackerte unsicher.
»N-nein. Ich habe nur schlecht geschlafen.«
»Hä? Hast du Albträume?«
Sie zuckte zusammen und sah ihn durchdringend an.
»Woher weißt du das?«, fragte sie und jetzt klang sie fast bedrohlich. »Was weißt du über meine Albträume?«
Sebastian machte einen Schritt zurück.
»He, schon gut. Was ist denn los mit dir? Das war doch nur eine Frage? Woher soll ich etwas über deine Albträume wissen?«
Für einen Augenblick schwiegen sie. Sara schien verwirrt zu sein. Dann drehte sie sich langsam um und ging.
»Jesses«, sagte Oskar. »Was ist denn mit der los?«
»Und was für Klamotten sie anhatte!«
Karl sagte nichts. Er schaute Sara hinterher, die in Lillys Kostüm die Straße hinunterging. Mit einem Mal sah sie furchtbar klein aus.
»Wollen wir los?«, fragte Oskar. »Die Fähre legt gleich ab.«
Er und Sebastian wirkten mittlerweile ziemlich ungeduldig.
»Klar«, sagte Karl und warf einen letzten Blick auf Sara.
Natürlich verpassten sie die Fähre trotzdem. Auf die nächste Abfahrt mussten sie eine halbe Stunde warten, obwohl das Schiff schon zehn Minuten später von Hundarö zurückkehrte, aber zum Ärger der Jungs blieben die Schranken geschlossen. Die drei schimpften und hielten sich warm, indem sie hüpften und mit den Armen ruderten. Sjölunds Hund war begeistert von den neuen Aktivitäten und sprang bellend auf und ab.
»Friert ihr etwa?«, rief eine energische Stimme von der Brücke herunter.
Ursula schaute aus einem kleinen Fenster und winkte ihnen zu.
»Wollt ihr nicht raufkommen und eine Kleinigkeit essen? Ihr könnt da unten ja nicht ewig wie die Deppen rumhopsen.«
Die
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