Das Grab im Moor
sie Kapitän Schwarzholz' Grab?
In Saras Zimmer brannte noch Licht. Erleichtert sah Karl sie darin herumlaufen. Aber gerade als er einen Stein an ihre Scheibe werfen wollte, wurde es drinnen dunkel. Sie war ins Bett gegangen.
Kapitel 15
Am nächsten Morgen lief Karl eilig zu Schrott-Janssons Haus. Er musste einfach mit Sara sprechen.
»Geh nur rein«, sagte Schrott-Jansson. »Du hast Glück, sie ist noch nicht aufgestanden. Das erste Mal in dieser Woche, dass sie sich ordentlich ausschläft.«
Er grinste und schob sich an Karl vorbei auf die Treppe, um Sjölunds Hund zu tätscheln, der Karl auf Schritt und Tritt folgte. Der Hund war wieder so sorglos wie immer. Er schien völlig vergessen zu haben, in welche Rangelei er gestern geraten war.
»Nimm den Hund mit rein. Du solltest ihn nicht ohne Leine draußen lassen. Du hast sicher schon gehört, was Simon Eda gestern passiert ist?«
Karl schüttelte den Kopf.
»Nein, was denn?«
»Er hat auf der Landstraße ein Reh angefahren.«
Verwundert schaute Karl Schrott-Jansson an. Was hatte das mit Sjölunds Hund zu tun?
»Ein Fuchs hat das Reh auf die Straße gehetzt«, fuhr Schrott-Jansson fort. »Und als Simon aus dem Auto ausgestiegen ist, hat der Fuchs ihn angefallen. Ich habe so etwas noch nie zuvor gehört. Richtig unheimlich.«
Karl dachte an den Hundekampf vom Vortag. Lauter aggressive Tiere. Seltsam. Doch auf einmal erinnerte er sich, wo er das schon einmal gehört hatte. Es war genau wie in der Sage! Die Vögel verstummten, sogar Engla Forins Papagei. Und jetzt waren die Tiere aggressiv geworden, so wie das Eichhörnchen, das Lilly gebissen hatte, und wie Sjölunds Hund und Clara. Und wie dieser Fuchs, der Simon Eda angefallen hatte.
Schrott-Jansson ging die Treppenstufen hinunter in den Garten.
»Steh nicht herum, sonst zieht die ganze Wärme aus dem Haus«, sagte er. »Geh ruhig rein!«
Aber Saras Opa hatte sich geirrt. Sara schlief kein bisschen. Sie lag im Bett, die Hände hinter dem Kopf verschränkt und sah aus, als versuche sie, sich an etwas zu erinnern.
»Hallo«, sagte Karl unsicher, als er ins Zimmer trat.
»Karl! Was machst du hier? Wie spät ist es überhaupt?«
»Kurz vor neun. Ich . . . ich muss mit dir reden.«
»So früh am Morgen? Du lieber Himmel. Geht es um Leben und Tod, oder was?«
Karl nickte und setzte sich auf die Bettkante.
»Ja«, sagte er. »Schon möglich.«
Widerwillig hörte Sara ihm zu. Sie wollte absolut nicht einsehen, dass sie sich merkwürdig benommen hatte. Und sie war sich hundert Prozent sicher, dass es sich um eine Verwechslung handeln musste, als er von ihrer Begegnung am Weihnachtsabend erzählte. Erst als er von ihrer Rolle als Lilly sprach, wurde es besser.
Sara schilderte ihm, wie magisch es sich jedes Mal anfühlte, wenn sie ihre Texte übte. Beinahe wie im Traum, sagte sie. Alles um sie herum wirkte dann schmutzig und altmodisch und zugleich seltsam vertraut. Als wäre sie in Lillys Leben zu Hause. Und wirklich, jetzt wo er es sagte, musste sie zugeben: Manchmal kam es ihr fast so vor, als würde sie aufwachen, wenn sie ihr Kostüm ablegte. Dann konnte sie sich nicht einmal mehr genau erinnern, was passiert war.
»Gestern Abend, zum Beispiel?«, fragte Karl vorsichtig.
»Ja . . . Komisch, dass du fragst. Ich habe gerade darüber nachgedacht, als du hereingekommen bist. Ich habe mich gefragt, wie ich vom Bürgerhaus nach Hause gekommen bin.«
Karl schwieg einen Moment.
»Du warst auf dem Cholerafriedhof«, sagte er schließlich. »Und hast dich um Kapitän Schwarzholz' Grab gekümmert.«
Sara starrte ihn an. Dann fing sie an zu lachen.
»Spinnst du? Oder machst du dich über mich lustig?«
Karl schüttelte ernst den Kopf.
»Nein …«
Da hörte Sara auf zu lachen und schlug die Hände vors Gesicht.
»Sag, dass du lügst«, sagte sie leise. »Bitte, sag, dass du dir das nur ausgedacht hast, um mich reinzulegen.«
»Du bist im Kostüm nach Hause gegangen«, sagte Karl. »Schau doch in deinem Cape nach.«
Sara stand auf und holte das Cape.
Eine große, fast verwelkte Lilie fiel aus ihrer Tasche.
Wenn sie gedacht hatten, nach dem Erlebnis mit dem Geisterlotsen der Vallona hätte der Schrecken in Krabbsjögrund ein Ende, dann waren sie jetzt eines Besseren belehrt. Sie steckten mittendrin in einer neuen Spukgeschichte. Ob sie nun wollten oder nicht.
Aufmerksam hörte Sara zu, während Karl ihr alles berichtete, was vorgefallen war. Sie behauptete nicht mehr länger, dass
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