Das Grab in der Hölle
bewusstlos gewesen war.
Nick sprach mit seiner Mutter darüber. Die hatte Verständnis und sagte: »Du hast es also auch geerbt, mein Junge. Du gehörst zu den wenigen, die einen Blick in die Hölle oder in den Vorhof der Hölle geworfen haben. Deshalb bist du dazu ausersehen, die Hölle zu bekämpfen.«
Elena Spiro hatte so ernst gesprochen, dass der junge Boxer lachen musste, aber er dachte über die Worte seiner Mutter sehr genau nach.
Und der Traum wiederholte sich.
Wieder befand sich Spiro in der schrecklichen Welt, und wieder stand dieser Henker vor ihm. Jedes Mal war Nick völlig hilflos, er konnte sich nicht gegen den Maskierten wehren. Er behielt seine Träume allerdings für sich, sprach auch nicht mehr mit seiner Mutter darüber und antwortete ausweichend auf ihre bohrenden Fragen.
Dann kam der Tag, an dem sich viel ändern sollte. Spiro hatte sich wirklich zu einem guten Polizisten entwickelt, und es blieb nicht aus, dass sich seine Leistungen herumsprachen. Scotland Yard wurde aufmerksam. Man wollte ihn in der Kriminalabteilung haben, vor allen Dingen deshalb, weil Spiro mit den Farbigen gut auskam. Er kannte ihre Mentalität, ihre Sorgen, ihre Probleme.
Natürlich sagte Nick ja, auch wenn es ihm leid tat, seine alten Kollegen im Stich lassen zu müssen, aber zu seinen Kämpfen kamen sie noch alle.
Es blieb nicht aus, dass Nick Spiro über den Aufbau und die Organisation des Yard informiert wurde.
Und er hörte auch von einer Abteilung, die sich mit Fällen beschäftigt, wo normale Mittel versagten.
Übersinnliche, okkulte Dinge, Fälle, die es an sich nicht geben durfte, und die es trotzdem gab.
Ein Name fiel. John Sinclair.
Er war Oberinspektor bei Scotland Yard und eigentlich der Mann, der dafür die Verantwortung trug, nach seinem Chef, Superintendant Sir Powell.
Nick zögerte aus verständlichen Gründen, sich mit John Sinclair zusammenzusetzen, er wollte sich nicht lächerlich machen. Den Anstoß schließlich gab ein wilder Traum, der in seiner Grausamkeit einmalig war. Der Henker erschien aber nicht bei ihm, sondern bei seiner Mutter.
Und er köpfte Elena Spiro.
Jetzt hielt Nick nichts mehr. Er setzte sich mit dem Oberinspektor in Verbindung. Leider erreichte er den Mann nicht sofort, weil er unterwegs war, aber man verabredete einen Termin.
Spiro und Sinclair wollten sich an dem Freitagabend nach dem Kampf gegen die Walze aus Wales zusammensetzen, um über das Problem zu reden. Nick hatte für diesen Tag sämtliche anderen Termine abgesagt.
Deshalb ging er auch leicht nervös in den Kampf. Das merkte sein Trainer und Manager, als er Nick die Bandagen um die Hände wickelte.
»Hast du Angst?«
Nick schaute den wesentlich kleineren Mann überrascht an. »Wie kommst du denn darauf?«
»Du machst mir einen nervösen Eindruck.«
»Unsinn, Herb. Das scheint nur so.«
Herb schüttelte den Kopf. Das Licht in der Kabine ließ seine Glatze wie eine polierte Platte wirken.
»Ich sehe es dir doch an, mein Junge. Du brauchst aber nichts zu sagen. Jeder hat mal eine schwache Minute. Nur gegen die Walze aus Wales darfst du sie nicht haben. Du musst dich konzentrieren, Nick. Das ist einer deiner wichtigsten Kämpfe. Hast du mich verstanden?«
»Klar.«
»Nichts ist klar.« Herb trat zurück und deutete auf die Liege. »Wir haben noch eine Viertelstunde Zeit. Leg dich so lange hin.«
Nick schüttelte den Kopf. »Ich will nicht.« Er hüpfte stattdessen herum und zeigte Schattenboxen. Blitzschnell kamen seine Schläge, auch die Beinarbeit war gut, wenn nicht sogar perfekt. Die hatte sich Nick bei seinem großen Vorbild Ali abgesehen. Spiro war ein schneller und wendiger Kämpfer. Dabei hatte er eine brettharte Linke, die so manchen Gegner erschüttert hatte.
Sorgenschwer setzte sich Herb auf den Stuhl. Er kannte seinen Schützling lange genug. Mit Nick stimmte etwas nicht. »Hängt es vielleicht mit dem Treffen zusammen?« fragte er.
Nick ließ die Fäuste sinken. »Welches Treffen meinst du?«
»Nach dem Kampf triffst du doch diesen Sinclair.«
»Ach so. Nein, damit hängt es nicht… ach, hör doch auf. Du willst mir da was einreden.«
»Du hast es ja zugegeben, Nick.«
»Nichts habe ich zugegeben. Gar nichts.« Die Stimme des Boxers klang wütend.
Herb schaute den jetzt fünfundzwanzigjährigen Mann ernst an. Er sah einen Modellathleten vor sich, dessen Haut eine Farbe besaß, die an sahnigen Milchkaffee erinnerte. Nick war breit in den Schultern und hatte schmale Hüften. Auf
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