Das Grab ist erst der Anfang: 12. Fall mit Tempe Brennan
konnte nicht anders. »Erzähl's mir, Gummibärchen.«
»Was sagst du zu einem solchen Vormittag? Ein Arschloch in meinem Wohnhaus will mich rauswerfen lassen, weil ich eine Katze habe. Ich habe einen neuen Brieffreund, der mich für die Brut des Teufels hält. Ich hatte einen grässlichen Streit mit Hubert. Ich habe Joe meinen Schuhabdruck auf einem gewissen Körperteil hinterlassen.«
»Ist dieser Sparky-Boy immer noch so drauf?« Wir hatten schon mehr als einmal über meinen fanatischen Nachbarn gesprochen.
Ich nickte.
»Womit verdient der Kerl eigentlich seinen Lebensunterhalt?« Ryan schob sich ein Stück Lasagne in den Mund.
»Ich glaube, Winston hat gesagt, er arbeitet bei den Stadtwerken.«
»Wer ist der Brieffreund?«
Ich schüttelte den Kopf, was heißen sollte, dass ich dieses Thema nicht vertiefen wollte.
»Meinst du, es könnte derselbe Kerl sein, der Edward Allen Jurmain angerufen hat?«
Daran hatte ich noch gar nicht gedacht. »Ich bezweifle es«, sagte ich.
Ich hatte schon einige, wenn auch nicht viele, feindselige Briefe erhalten. Normalerweise war diese Post ein harmloses Luftablassen von unzufriedenen Angehörigen oder verärgerten Verurteilten.
Punkt.
Konnte der Brief von Sparky kommen? Ich glaubte es nicht.
Anonyme Einschüchterung war eigentlich nicht sein Stil.
Katzenkacke in der Tüte? Okay. Vielleicht.
»Warum der Zoff mit Speckarsch?« Rayn wandte sich nun meiner dritten Klage zu.
Ich erzählte ihm von meiner Dreipunktlandung in Huberts Büro. Die Neuausgrabung in Oka. Dass er Briel gestattet hatte, die Knochen vom Lac Saint-Jean zu untersuchen. Jurmains namenloser Informant.
Ryan machte ein nachdenkliches Gesicht. Oder vielleicht versuchte er nur, die braune Pampe zu identifizieren, die zwischen den Schichten seiner Pasta herausquoll.
»Lac Saint-Jean. Hm.«
»Hm?«
»Vielleicht nichts. Ich recherchiere mal ein bisschen, rufe dich heute Nachmittag an.«
»Irgendwas Neues über die Villejoins oder Keiser?« Ich wechselte das Thema.
»Nicht wirklich. Claudel hat die Fluglinien, die VIA-Eisenbahn, die örtlichen Bus- und Taxiunternehmen und die Montrealer Reisebüros überprüft. Wenn Keiser die Stadt freiwillig verlassen hat, dann entweder mit ihrem Auto oder durch den Hyperraum.«
»Hat sich per Anhalter von der Herz aus Gold mitnehmen lassen.« Ich plapperte ohne nachzudenken.
»Ist mit dem Unendlichen Unwahrscheinlichkeitsantrieb davongedüst«, sagte er.
Ryan und ich waren beide Fans von Per Anhalter durch die Galaxis. Als wir noch ein Paar waren, hatten wir oft mit unseren Lieblingszitaten gewetteifert. Damals hatte es Spaß gemacht. Jetzt tat es nur noch weh.
Alte Gewohnheiten legt man nicht so leicht ab.
Ryans Lächeln war jetzt allumfassend, mit Augen und allem.
Augen wie die Gewässer der Bahamas. Augen, in denen man sich verlieren konnte. Augen, in denen ich mich verloren hatte.
Aber nicht noch einmal.
Ich schaute weg. »Sonst noch was?«
»Claudel hat eine landesweite Fahndung nach Keisers Fahrzeug rausgegeben. Er hat örtliche Krankenhäuser überprüft und ist sämtliche Aufnahmen wegen Amnesie in ganz Kanada durchgegangen. Oder wie die Psychoquassler das heutzutage nennen. Hat nichts erbracht. Jetzt schaut er sich Keisers Nachbarn an, findet heraus, wie lang jeder Einzelne schon in dem Gebäude wohnt, frühere Adressen und solche Sachen.«
»Keiser hatte ein aktives gesellschaftliches Leben.«
Ryan kicherte. »Claudel hat's dir schon gesagt?«
»Was gesagt?«
»Die lustige Witwe betrachtete sich selbst als Kind der Sechziger. Und als Jägerin.«
»Von Männern?« Ryan nickte.
»Sie hatte Geliebte?«
»Das machte sie die Nachbarn glauben.« Ryans Grinsen konnte nur als spöttisch beschrieben werden.
»Warum ist das lustig? Weil sie nicht mehr die Jüngste war?« Ryan formte mit den Fingern zwei Vs. Frieden. »Charbonneau muss einen dieser betagten Verehrer erst noch finden. Er hat sich den Buchclub und das Damenstrickkränzchen vorgenommen. Bis jetzt hat er viel Tee und Kekse und eine interessante Kleinigkeit bekommen. Keiser verbrachte gern Zeit in der Natur.«
»Soll heißen?«
»Manchmal ging sie in den Wald. Um zu malen.«
»Wo?«
»Das hat sie nie gesagt. Außerdem besuchte sie häufig ein Kurhotel namens Eastman Spa in den Eastern Townships.«
Ich brauchte einen Augenblick, bis ich die Bedeutung erkannte.
»Rückzug aufs Land. Klingt wie Rose Jurmain.«
Ryan nickte. »Ich überprüfe Personal und Gäste, alle, die in der Zeit,
Weitere Kostenlose Bücher