Das Grab ist erst der Anfang: 12. Fall mit Tempe Brennan
Homebanking. Dass sie Geld zu Hause aufbewahrte, so wie die Villejoins.«
»Könnte das die Verbindung sein?«
»Ich gebe die Idee mal an Claudel weiter. Vielleicht muss er tiefer in Keisers Finanzen einsteigen. Und auch im Eastman nachfragen, herausfinden, wie sie bezahlt hat.«
»Wie bist du drauf gekommen, dass ich zu Hause bin?« Ich griff nach meinem zweiten Croissant.
»Du warst gestern und heute nicht im Institut. Wo solltest du sonst sein?«
»Ich habe auch ein Privatleben.«
»Natürlich hast du das.«
Um das Thema zu wechseln, beschrieb ich Briels Fernsehdebüt.
»Was weißt du über diese Klitsche, dieses Body Find?«, fragte Ryan, als ich fertig war.
»Nichts«, sagte ich. »Noch nicht.«
»Soll ich mich ein bisschen umhören?«
»Ich schaff das schon.«
»Da bin ich mir sicher.«
Ich erzählte Ryan von Chris Corcorans Anruf. Und dem Insassen in Stateville.
»Die Jungs in Chicago denken, an der Geschichte des Kerls ist was dran?«
»Offensichtlich. «
»Ich hoffe, das bringt was. Cukura Kundze zuliebe.«
»Und Lassie zuliebe.«
Ryan drehte das Handgelenk, um auf die Uhr zu schauen. »Gehst du heute Nachmittag rein?«
»Wahrscheinlich nicht.« Ich überraschte mich selber. Bis zu diesem Augenblick war ich davon ausgegangen, dass ich ins Institut gehen würde.
Ryan kam zu mir, kauerte sich hin und legte seine Hand auf meine. Sein Gesicht war so dicht an meinem, dass ich seinen Atem spüren, sein vertrautes Garnier-Shampoo riechen konnte. Er drückte sanft meine Hand. »Ich werd dir ein Feuer aufschichten. Du kannst es anzünden, wenn du willst.«
»Danke.« Kaum hörbar.
Nachdem Ryan gegangen war, räumte ich den Tisch ab und rief im Institut an, um zu sagen, dass ich erst am Montag wiederkommen würde. Dann genehmigte ich mir ein langes Schaumbad. Als ich im Wasser lag, das so heiß war, dass ich es gerade noch ertragen konnte, dachte ich über meine Entscheidung, zu Hause zu bleiben, nach. Ich nehme mir nie eine ungeplante Auszeit. Untätigkeit macht mich gereizt.
Erschöpfung nach überstandener Vergiftung? Draußen minus dreißig Grad? Zuversicht, dass die Opfer vom Lac Saint-Jean bald identifiziert sein würden? Ein Gefühl der Demütigung, weil Briel mein Versagen im Villejoin-Fall öffentlich gemacht hatte?
Was auch immer.
Das heiße Wasser und der volle Bauch wirkten wie ein Opiat, sie versetzten mich in einen Zustand totaler Lethargie.
Da ich nicht wieder in mein verschwitztes Bett wollte, holte ich mir eine Steppdecke, zündete Ryans Feuer an und legte mich auf die Couch. Birdie kam zu mir.
Ich strich ihm übers Fell. Er schnurrte auf meiner Brust.
Ich schloss die Augen, hatte keine Kraft mehr, mich zu bewegen. Oder zu lesen. Oder fernzusehen. Oder zu denken.
Das Klingeln eines Telefons weckte mich. Bird war verschwunden. Die Fenster waren dunkel, und das Feuer war nur noch ein glimmender Rest.
Ich holte mir den Handapparat und schaltete ein.
»Ich habe Sie gestern und heute nicht gesehen.« Emily Santangelo.
»Lebensmittelvergiftung. Die Details erspare ich Ihnen.«
»Geht's jetzt wieder besser?«
»Ich werd's überleben.« Mein Blick wanderte zu der Uhr auf dem Kaminsims. Dreiviertel fünf. »Hüten Sie sich vor Sandwiches aus dem Automaten.«
»Sie haben wirklich eins gegessen?«
»Bis auf die Rinde.«
Pause.
»Haben Sie gestern Abend Briels Interview gesehen?«
»Ein Genuss.«
Längere Pause.
»Wir müssen reden.«
Meine Instinkte waren plötzlich hellwach. Emily Santangela war eine reservierte, fast ausweichende Frau, die nichts übrig hatte für Büroklatsch oder Mädchengeplapper.
»Klar«, sagte ich.
»Haben Sie Lust auf Abendessen, vielleicht heute noch? Hühnersuppe. Ich könnte damit auch zu Ihnen kommen.«
»Ich muss die Wohnung erst desinfizieren, bevor ich jemanden hereinlasse.« Ich dachte an einen Flammenwerfer. »Wie wär's, wenn wir uns im Pho Nguyen an der Saint-Mathieu treffen?«
»Vietnamesisch?«
»Die machen tolle Suppen.«
»Das geht. Ich kann um halb sieben dort sein.«
»Ich sehe aber nicht gut aus.«
»Ich werde kaum die Presse rufen.«
Die Hintergrundgeräusche wirkten plötzlich gedämpft, als hätte Santangelo die Hand über den Hörer gelegt. »Irgendwas läuft hier völlig falsch.« Fast ein Flüstern.
»Falsch?«, fragte ich.
»Bis später.«
Die Verbindung wurde unterbrochen.
29
Die Innenausstattung ist nicht die große Stärke des Pho Nguyen. Vom Bürgersteig aus geht man zwei Stufen nach unten und betritt
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