Das Grab ist erst der Anfang: 12. Fall mit Tempe Brennan
Algen unter Wasser. Auf jedem Tentakel standen ein Name und ein Identifikationsmerkmal.
Edward Allen, der Vater. Perry Schechter, der Anwalt. Janice Spitz, die Geliebte. André und Bertrand Dubreuil, die Entdecker. Red O'Keefe/Bud Keith, der Küchenarbeiter in dem Gasthof. Chris Corcoran, der Pathologe in Chicago. ML, der Anthropologe in Chicago.
Nein. Das stimmte nicht. ML untersuchte Laszlo Tots Knochen.
Der ML-Tentakel wurde dunkel und sank zu Boden.
Die Szene wechselte nun zu Christelle Villejoin, die in BH und Slip in einem flachen Grab lag. Langsam setzte die alte Frau sich auf. Die Unterwäsche wirkte auf ihren erdfleckigen Knochen zombieweiß.
Christelle umrankten weniger Tentakeln als Rose. Anne-Isabelle, die Schwester, Yves Renaud, der Finder von Anne-Isabelle. Sylain Rayner, der pensionierte Arzt. Florian Grellier, der Informant. Bud Keith, Grelliers Barkumpel. M. Keith, der Handwerker.
Bud Keith. Ein Rose-Tentakel verschmolz langsam mit einem Christelle-Tentakel.
Eine Gestalt tauchte auf, das Gesicht verhüllt, die Hand ausgestreckt. Auf der Handfläche vier Fingerglieder. Eine Ecke des Schleiers hob sich, enthüllte ein Gesicht. Marie-Andréa Briel.
Briels Gesicht verdunkelte sich, verwandelte sich in das von Marilyn Keiser. Keisers Körper war schwarz und lila gesprenkelt. Ihre Tentakeln leuchteten zwar weniger, waren aber die zahlreichsten von allen.
Uri Keiser, Myron Pinsker sr., Sam Adamski, die Ehemänner. Otto und Mona, Sohn und Tochter. Myron Pinsker jr., der Stiefsohn. Lu und Eddie Castiglioni, die Hausmeister. Natalie Ayers, die Pathologin.
Der Traum verwandelte sich, eine neue Szene entstand. Ryan stand an einem Rednerpult, ein Projektor schoss einen Strahl weißen Lichts in die Dunkelheit hinter ihm. Vor ihm saßen drei Studenten. Ryan stellte in schneller Folge eine Frage nach der anderen. Die Studenten beantworteten sie.
Falls Keith schuldig war, warum hat er es getan? Geld?
Die Villejoins hatten nur wenig. Jurmain hatte nur ein paar Dollar in ihrem Zimmer in der L'Auberge.
Keith war ein Kleingangster. Vielleicht reichte ihm dieses wenige schon.
Wie kreuzten sich Keiths und Marilyn Keisers Wege? Könnte Myron Pinsker der Mörder sein?
Wut? Eifersucht? Angst, sein Erbe zu verlieren? Gibt es Vermögenswerte, die wir nicht kennen?
Gab es Schnittpunkte zwischen Pinsker und den anderen Opfern?
Waren Jurmain und die Villejoins beliebige Opfer, die wegen ihres Alters und ihres Geschlechts ausgesucht wurden?
Was war mit dem Nachbarn der Villejoins,Yves Renaud? Mit den Hausmeister-Zwillingen Lu und Eddie Castiglioni? Fragen und Antworten, die wie Pistolenkugeln hin und her flogen.
Ich strampelte unter der Decke. Jetzt stand Hubert am Rednerpult.
Die Todesursache bei Jurmain war unbekannt. Die Villejoins wurden erschlagen. Keiser wurde verbrannt.
Das stimmte nicht.
Keiser wurde erschossen. Der dritte Student war jetzt Chris Corcoran.
Ayers machte die Autopsie, übersah aber den Schusskanal.
Der zweite Student war jetzt Marie-Andréa Briel.
Briel habe den Schusskanal gefunden, sagte Hubert. Briel habe die Fingerglieder gefunden. Glückwunsch, Briel.
Eine Motte flatterte in den Projektorstrahl, die Flügel schlugen hektisch in dem grellen Licht.
Ich sah ihre samtigen Fühler. Die Schichten seidiger Haare, die ihren Bauch bedeckten.
Die Motte flog direkt auf mich zu.
Ihr Rachen öffnete sich.
30
Ryan war pünktlich. Wie immer.
Um zehn vor zehn parkten wir am Bordstein vor einem u-förmigen Backsteinbau in direkter Nachbarschaft des Campus der U de M. Während wir durch den Vorgarten gingen, prägte ich mir Details ein.
Der Boden abfallfrei. Die Gehwege mit kantiger Präzision geräumt. Sträucher mit Rupfen umwickelt und verknotet.
Lu Castiglioni stand an der Tür und sah aus, als wäre er lieber woanders. Ich nahm an, dass Claudel ihn eben in die Mangel genommen hatte.
Während wir Castiglioni nach drinnen folgten, schaute ich mich weiter um.
Zwölf Briefkästen,jeder mit einem Klingelknopf- und einem Sprechgitter, damit Besucher sich identifizieren konnten. Keine Kamera. Das Überwachungssystem vertraute allein auf Sprache und Stimme.
Claudel hatte in der Lobby eine Armani-Pose eingenommen.
Lederhandschuhe. Hellbrauner Kaschmirmantel. Ungeduldiges Stirnrunzeln. Neben ihm stand ein Elch von einem Mann, der eingepackt war wie ein Jäger direkt vom Yukon.
Claudel stellte seinen Begleiter als Otto Keiser vor. Ryan und ich sprachen Otto unser Beileid zum Verlust seiner
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