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Das Grab - Roman

Das Grab - Roman

Titel: Das Grab - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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auskratzte …
    Als er den Zündschlüssel zog, stieß ihn Vicki nach vorn. Er fiel mit dem Oberkörper auf das Lenkrad. Die Hupe blökte los.
    Sie warf sich gegen die Tür, zog den Griff und stolperte aus dem Wagen. Ihre Beine fühlten sich an, als wären es nicht ihre, zittrig und kraftlos. Doch sie hielt sich aufrecht und schwankte, gegen die Scheibe gestützt, zum Heck des Wagens. Das Quietschen der Fahrertür ließ sie herumwirbeln. Jack sprang auf die Straße. Sie rannte los.
    Sie sprintete los, das Kinn an die Brust gezogen, mit kräftig pumpenden Armen und weit ausholenden, doch irgendwie hölzernen Schritten und spürte kaum den körnigen Asphalt, der in ihre nackten Fußballen stach. Obwohl mit jedem Herzschlag ein bohrender Schmerz durch ihren Kopf schoss, kehrte das Gefühl allmählich wieder in ihre Beine zurück. Es waren wieder ihre Beine, ihr Körper, der rhythmische Fluss ihrer Bewegung – so wie sie jeden Morgen rannte –, nur, dass es dieses Mal um ihr Leben ging.
    Sie hörte Jack hinter sich. Das schnelle Klatschen seiner Schritte. Seinen keuchenden Atem.
    Er kriegt mich nie!
    Sie rannte in der Mitte der Fahrbahn. Sie spürte den Wind in ihrem nassen Haar, auf ihrem Gesicht, auf ihrer Brust, ihrem Bauch und ihren Beinen. Der Bademantel, der aufgegangen war, flatterte wie ein Umhang hinter ihr.
    Ich kann die ganze Nacht so rennen, dachte sie. Ich kann direkt zum Polizeirevier rennen.
    Eine Kreuzung. Gleißende Helligkeit von links.
    Ihr Kopf fuhr herum.
    Ein Auto raste auf sie zu und schoss dröhnend näher.
    Sie drehte den Kopf und sah gerade noch, wie der Wagen Jack erfasste.
    Sogar über das Kreischen der Bremsen hinweg hörte sie das dumpfe Krachen des Aufpralls. Die Stoßstange rammte von der Seite gegen seine Beine. Sie flogen unter ihm weg, und sein Körper schoss über die Motorhaube. Sein Kopf krachte durch die Windschutzscheibe.
    Das Auto kam direkt hinter der Kreuzung zum Stehen.
    Die Fahrertür schwang auf. Ein Mann stieg aus, und Vicki zog den Bademantel zu.
    Sie überlegte, ob sie weiterrennen oder stehen bleiben sollte.
    Es gibt keinen Grund mehr, davonzurennen, begriff sie. Melvins Haus, ein gutes Stück von der Straße entfernt und das einzige weit und breit, war mehr als hundert Meter von der Kreuzung entfernt. Sie konnte es im Auge behalten. Sie konnte im Wagen des Mannes entkommen, falls Melvin auftauchte.
    Und Jack war keine Bedrohung mehr.
    »Er ist mir direkt in den Wagen gerannt!«, rief der Mann ihr zu. Er klang ängstlich. »Sie haben es doch gesehen, oder? Hat er Sie verfolgt oder was? Was geht hier vor?«
    Sie ging auf ihn zu. »Er war hinter mir her«, sagte sie.
    »Mann. O Mann.« Er stand neben seinem Wagen, drehte den Kopf, sah Vicki an, dann den reglosen, auf seiner Motorhaube liegenden Körper, dann wieder Vicki.
    Im Schein der Straßenlaternen kam er ihr irgendwie bekannt vor. Ein untersetzter Mann, schwarzes, kurzgeschorenes Haar, kleine Augen, die zu dicht an seiner breiten Nase lagen. »Hey«, sagte er. »Ich glaube, ich kenne dich. Vicki?«
    Sie nickte.
    »Wes«, sagte er. »Wes Wallace. Erinnerst du dich an mich?«
    »Klar.« Sie kannte ihn von der Highschool. Er war immer mit Manny Stubbins herumgehangen. »Wie geht es dir?«
    »Jesus Christus. Nicht schlecht, bis vor ’ner Minute. Heiliger Strohsack.« Er trat näher an den Toten heran. Vicki blieb neben ihm. »Wer war das?«
    »Jack Randolph«, sagte sie und spürte mit einem Mal eine quälende Enge in ihrer Brust.
    »Du sagst, er war hinter dir her?«
    »Er … er hat mich überfallen. Ich konnte ihm entkommen. Er hat versucht, mich wieder einzufangen.«
    »Hey, dann bin ich so was wie ’n Held, oder?« Er beugte sich über die Motorhaube und starrte mit offenem Mund auf den Wagen. »Hat glatt die Windschutzscheibe durchschlagen. Vielleicht sollte ich versuchen, ihn rauszuziehen, oder?« Er packte Jacks Gürtel und riss daran. Der Tote ließ sich keinen Zentimeter bewegen. »Verdammt. Steckt fest.« Er griff durch das Loch in der Windschutzscheibe, krallte die Finger in Jacks Haar und hob seinen Kopf. Dann zog er den Körper aus den Resten der Frontscheibe und ließ den Kopf auf die Motorhaube sinken. Er sah genauer hin und ächzte. »Mein Gott. Das letzte Mal, dass ich so was Schlimmes gesehen habe, war, als Kraft und Darlene …« Er wandte sich ab, presste eine Hand auf seinen Mund und fing an zu würgen.
    Vicki sah Jacks Kopf. Die Schädeldecke war eingedrückt. Ein Auge war herausgequollen und

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