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Das Grab - Roman

Das Grab - Roman

Titel: Das Grab - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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Ihr Herz hämmerte. Sie rang nach Atem. Sie zitterte vor Wut und Scham.
    Sie hatten sie wie einen streunenden Hund davongejagt.
    Was war nur los mit diesen Männern?
    Joey war okay gewesen, bis der Chief sie blöd angequatscht hatte. Warum hatte er sie nicht verteidigt? Klare Sache. Er war feige. Das Verhalten des Chiefs gab ihr Rätsel auf. Er hatte sie als lästiges Ärgernis verbucht, nur aufgrund dessen, was auch immer Joey ihm bezüglich ihrer Aussage erzählt hatte.
    Was hätten wir tun sollen? Es für uns behalten?
    Selbst wenn es zu nichts führte (und Vicki wettete, dass sie sich nicht die Mühe gemacht hatten, Melvin unter die Lupe zu nehmen), hätte der Chief für jede den Mord betreffende Information dankbar sein müssen. Stattdessen schien er ihre Aussage als Einmischung zu betrachten.
    Ein paar Weiber, die versuchten, ihm vorzuschreiben, wie er seine Ermittlungen zu führen hatte.
    Ich tauche auf, er macht mich nieder. Ich hätte bei der Suche nach Charlie helfen können. Ich bin die Verstärkung, verdammt nochmal. Ich habe Augen im Kopf. Ich bin nicht blind, obwohl ich eine Frau bin.
    Das ist der Knackpunkt, dachte Vicki. Ich bin eine Frau.
    Deshalb durfte ich nicht bei der Suche nach Charlie helfen. Deshalb haben sie den Hinweis auf Melvins Drohung ignoriert. Ich bin nur eine aufdringliche Tussi, der es Spaß macht, die Nase in ihre Angelegenheiten zu stecken.
    Sind denn alle Männer in dieser Stadt Frauenhasser?
    Nicht Charlie, dachte sie.
    Oh, Charlie, was ist Ihnen nur zugestoßen?

Kapitel Zweiundzwanzig
    Sie parkte den Mustang in Aces Einfahrt und ging ins Haus. Nirgendwo brannte Licht. Sie ließ es ausgeschaltet und tastete sich durch den dunklen Flur zu ihrem Zimmer.
    An Schlaf war nicht zu denken. Sie würde sich nur im Bett herumwälzen, sich um Charlie Sorgen machen und sich wegen der beschissenen Dinge, die ihr in den letzten paar Stunden widerfahren waren, das Hirn zermartern: der Streit mit Jack, der Alptraum, die Szene an der Brücke, die Vorstellung, dass Charlie brennend in den Fluss gesprungen war, und als Krönung des Ganzen die demütigende Begegnung mit dem Polizeichef. Das war genug, um ihr für Tage den Schlaf zu rauben.
    Sie zog ihr rußverschmiertes T-Shirt aus, nahm ein frisches aus der Kommode und schlüpfte hinein. Dann streifte sie sich die Kette mit dem Hausschlüssel und der Trillerpfeife über den Kopf.
    Laufen würde helfen. Das half immer.
    Auf dem Weg nach draußen überlegte sie, ob sie vielleicht doch bleiben und auf Joeys Anruf warten sollte. Er hatte versprochen, ihr Bescheid zu geben, wenn sie Charlie fanden. Aber das konnte noch Stunden dauern. Möglicherweise würden sie ihn auch überhaupt nicht finden. Sinnlos, rumzusitzen und zu warten.
    Außerdem würde die Nachricht, wenn sie denn kam, fast sicher eine schlechte sein.
    Vicki ging hinaus. Auf dem Bürgersteig vor dem Haus machte sie ihre Dehnübungen. Dann lief sie los.
    Sie lief schnell, mit raumgreifenden Schritten und energisch pumpenden Armen, und fühlte die warme Luft auf der nackten Haut ihres Gesichts, ihrer Schenkel und Arme. Sie hatte kein bestimmtes Ziel im Kopf, doch als sie die Center Street erreichte, lief sie nach Norden, an den noch geschlossenen Geschäften vorbei, und erinnerte sich an den Morgen vor ein paar Tagen, als sie die Central hinauf bis zur Einmündung der River Road gelaufen und erst an der Brücke über den Laurel Creek umgekehrt war.
    Was, wenn ich am Ufer entlanglaufe? Ich jogge bis zur Mündung des Laurel Creek und laufe dann am Ufer entlang flussaufwärts. Dabei kann ich nach Charlie Ausschau halten, ohne dass mich jemand stört.
    Es schmerzte, an Charlie zu denken. Sie wollte ihn und alles andere aus ihrem Kopf vertreiben. Nur laufen und, wenigstens für eine Weile, frei sein.
    Vor ihr lag der Park. Sie verließ den Gehweg und lief auf dem Gras. Es fühlte sich weich unter ihren Schuhen an.
    Ich laufe runter zum Strand und dann am Ufer entlang.
    Nur wozu? Charlie wäre sicherlich nicht zum Fluss hinunterspaziert . Wenn er den Sprung von der Brücke überlebt hatte, wäre er wieder zur Straße hochgeklettert. Falls er irgendwo flussabwärts lag, hatte ihn die Strömung dorthin getrieben.
    Ich werde ihn nicht lebend finden.
    Der Suchtrupp hat ihn vielleicht schon gefunden.
    Ich schulde ihm wenigstens einen Versuch.
    Als Vicki den Hang oberhalb des öffentlichen Strands erreichte, verkürzte sie ihre Schritte. Jenseits des breiten Sandstreifens konnte sie die Umrisse eines

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