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Das graue distinguierte Leichentuch: Roman

Titel: Das graue distinguierte Leichentuch: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Slesar
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geben, bevor Burke sie zu sehen bekommt. Ich rufe Sie dann gleich an.«
    Gordon aber, der zur Decke emporstarrte, schien sich nicht sehr für die Marktanalyse zu interessieren.
    »Alles ging glatt«, murmelte er. »Zum erstenmal hatten wir festen Boden unter den Füßen. Zum erstenmal verdienten wir an Burke dickes Geld.«
    Er hielt inne und befeuchtete seine Lippen.
    »Dann kam das Unglück. Fragen Sie mich nicht, wieso, ich kann es Ihnen nicht sagen. Einen normaleren Balg als das Burke-Baby hätte man nirgends finden können.«
    Dave überlief es kalt.
    »Heute war das Kind ein vergnügt glucksendes kleines Ungeheuer – am nächsten Tag ein kotzendes Wrack. Wir holten einen Arzt, auf den wir uns verlassen durften, aber er zuckte nur die Achseln und schnalzte bedauernd mit der Zunge.«
    »Ja, was war denn los?«
    »Das weiß ich nicht. Eine Art Meningitis. Hirnhautentzündung. Nach knapp drei Tagen war es aus.«
    Dave ließ die Schultern hängen und erinnerte sich an die seltsam gedrückte Atmosphäre im Hause der Clarkes.
    »Wir waren verzweifelt. Ich meine, richtig verzweifelt. Bisher hatten wir erst sieben Anzeigen fertiggestellt, und wir wollten die Serie so lange fortsetzen, bis das Burke-Baby bei der normalen Kindernahrung angelangt sein würde. Wenn wir gezwungen gewesen wären, Kermit Burke mitzuteilen, daß sowohl das Burke-Baby wie auch die Kampagne gestorben sei – hätten wir uns gleich aufhängen können.«
    »Bitter!« sagte Dave. »Die armen Clarkes.«
    »Kommen Sie mir nicht mit solchem Unsinn! Freilich war es bitter für die Clarkes. Aber immer wieder kratzen kleine Kinder ab, das ist der Lauf der Welt. Nur, daß gerade dieses Kind abkratzen mußte, das war eine große Tragödie. Vergessen Sie nicht – das Fundament der ganzen Burke-Kampagne ist Gesundheit. Seht nur das muntere Burke-Baby! Seht nur die rosigen Bäckchen! Seht nur das frohe Lächeln!«
    »Aber ich verstehe eines nicht, Gordon. Die letzten Aufnahmen wurden vor knapp zwei Wochen gemacht –«
    »Freilich. Jetzt wissen Sie wohl, wozu wir gezwungen waren, Dave. Wir mußten uns ein einigermaßen brauchbares Faksimile verschaffen, und zwar möglichst schnell. Wir mußten uns schleunigst ein neues Burke-Baby besorgen.«
    »Ein neues Baby? Um es unterzuschieben?«
    »Ja, selbstverständlich! Als das Kind der Clarkes starb, war es vier Monate alt. Wir mußten ein Baby in ungefähr dem gleichen Alter finden, das dem Original so weit wie möglich ähnlich sah. Außerdem wissen Sie ja, wie schnell kleine Kinder sich verändern. Solange sie noch klein sind, sehen sie jeden Tag anders aus. Wir rechneten damit, daß kein Mensch auch nur Verdacht schöpfen würde.«
    »Aber ich verstehe nicht, wie –«
    »Überlegen Sie sich’s einmal gründlich, Dave. Betrachten Sie die Lage vom Standpunkt der Clarkes aus. Anfangs waren sie untröstlich über den Verlust ihres Kindes. Als wir dann davon sprachen, ihnen an Stelle des kleinen Donald ein neues Baby zu besorgen, griffen sie mit beiden Händen zu. Ach, die Frau vielleicht nicht. Sie hat sich lange gewehrt, aber ihr Mann war vernünftiger. Außerdem ging es natürlich um viel Geld. Howard Clarke ist bei der Stadt beschäftigt und hat noch nie in seinem Leben mehr als fünfundachtzig Dollar die Woche verdient. Nachdem wir also eine Weile hin und her geredet hatten, taten die Clarkes das einzig Richtige und nahmen das neue BurkeBaby in ihr Haus auf. Und glauben Sie nur ja nicht, daß ihnen der kleine Kerl nicht ans Herz gewachsen ist.!«
    »Aber wo kam es her – das neue Burke-Baby?«
    »Keine Angst, wir haben es nicht geraubt. Wir zogen Erkundigungen ein und stießen auf ein unehelich geborenes Kind, dessen Mutter sich nicht allzu ungern von dem kleinen Bastard trennte, besonders gegen eine entsprechende Entschädigung. Um es zu präzisieren – fünfundzwanzigtausend.«
    Dave stieß einen Pfiff aus. »Aber das ist riskant. Wenn jemand von der Sache Wind bekommt –«
    »Dieses Risiko mußten wir auf uns nehmen. Aber wir sagten uns, die einzigen, die von dem Kindertausch wissen, könnten es sich nicht leisten, die Geschichte auffliegen zu lassen. Es sind insgesamt sieben Personen.«
    »Welche sieben Personen?«
    »Zuallererst der Arzt, der das Baby behandelt hat, den ersten Donald. Wir sorgten dafür, daß wir uns auf ihn verlassen konnten. Wir entdeckten in seiner beruflichen Vergangenheit einige Punkte, die einer näheren Untersuchung nicht standgehalten hätten.«
    »Das ist Erpressung.«
    Gordon

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