Das graue distinguierte Leichentuch: Roman
hinausgeworfen.«
Hagerty sah ihn unschlüssig an, begann dann aber zu lächeln. »Vielleicht bilden Sie sich ein, daß ich das nur zum Vergnügen mache. O nein. Hier trifft man viele wichtige Persönlichkeiten. In unserer Branche lohnt es sich, guten Clubs anzugehören und in guten Restaurants zu essen. Damit schindet man Eindruck, und darauf kommt es bei uns in erster Linie an.« Er trommelte mit den Fingern auf der Marmorplatte und starrte verträumt vor sich hin. »Nein, das stimmt nicht ganz. Ich wollte nicht nur aus geschäftlichen Gründen Mitglied des Mercantile Club werden. Ich wollte Mitglied werden, weil ich mich hier wohl fühle.«
»Das klingt schon viel wahrscheinlicher«, erwiderte Dave.
»Eben. Warum sollte ich Ihnen etwas vormachen? Mir gefällt dieser Lebensstil, Dave. Ich liebe elegante Lokale, guten Whisky und alles Drum und Dran. Es macht mir Spaß, einen Cadillac, einen Jaguar, ein großes Landhaus und eine Stadtwohnung zu besitzen. Unterschätzen Sie diese Dinge nicht, Dave, sie haben vieles für sich.«
Dave lachte ehrlich vergnügt. »Das will ich nicht bestreiten, Mr. Hagerty.«
»Und ob!« sagte Hagerty. Mit geröteten Wangen beugte er sich vor. »Ich halte nichts von dem üblichen Geschwätz der Leute, die so bescheiden tun und den Luxus verachten. Warum zum Teufel sollte ich mich schämen, nur weil ich das Geld liebe? Seit ich in Pittsburgh als junger Mensch im Eiskeller meines Vaters gearbeitet habe, war es mein Traum, mir eines Tages ein möglichst flottes Leben gönnen zu können. Passen Sie auf! Das Beste, was der Werbebranche je passieren konnte, war das Gerede von fetten Spesenkonten, Provisionen und schönen Fotomodellen. Das ist es nämlich im Grunde genommen, was junges Blut in die Branche lockt – machen wir uns nichts vor.«
»Sie dürften recht haben, Mr. Hagerty.«
»Und wie recht ich habe!«
Die Drinks wurden serviert. Hagerty hob sein Glas.
»Gegen ein Luxusleben ist nicht das geringste einzuwenden«, sagte er herausfordernd. »Mir gefällt es, Ihnen gefällt es, uns allen gefällt es. Auf Ihr Wohl!«
»Auf die Gicht!« entgegnete Dave. »Meine Lieblingskrankheit.«
Nach zwei weiteren Gläsern fuhren sie mit dem Aufzug in den Speisesaal hinauf. Hagertys reservierter Tisch stand an einem hohen Fenster, das auf die Fifth Avenue ging. Das Essen war hervorragend. Dave aß sehr langsam, und als er fertig war, kaute er an seinen Lippen.
»Sie haben es noch immer nicht verwunden?« fragte Hagerty. »Sie denken noch immer drüber nach, ja?«
»Ja. Ich will Ihre und Gordons Handlungsweise nicht verurteilen. Vielleicht hätte ich an eurer Stelle genauso gehandelt. Aber ich fühle mich ungefähr so behaglich wie ein Steptänzer auf einem Pulverfaß. Jeden Augenblick kann es in die Luft gehen.«
Hagerty atmete erleichtert auf. »Wenn Ihnen nichts anderes Kopfzerbrechen macht! Ich werde Ihnen beweisen, Dave, daß Sie ganz unbesorgt sein dürfen. Sie haben nur an eines zu denken, nämlich Burkes Schweinchen fleißig zu füllen. Alles andere schlagen Sie sich aus dem Sinn.«
»Sie sind optimistischer als ich. Ein halbes Dutzend Personen wissen von diesem kostbaren Geheimnis. Jede einzelne ist in der Lage, die Bombe platzen zu lassen.«
»Gewiß. Aber keine wird es tun. Das kann ich Ihnen beweisen.«
Er zog einen schlanken Goldbleistift aus der Brusttasche, nahm die Speisekarte zur Hand, drehte sie um und schrieb eifrig eine volle Minute lang. Dann reichte er die Karte Dave. Was er geschrieben hatte, lautete:
Homer Hagerty Kermit Burke Dave Robbins Janey Hagerty Irma und Howard Clarke Herbert Ruess Harlow Ross Gräfin Szylenska
»Gehen wir sie der Reihe nach durch, Dave«, sagte Hagerty und nahm die Karte wieder an sich. »Nacheinander. Fangen wir mit mir an.«
»Ihretwegen mache ich mir keine Sorgen, Mr. Hagerty.«
»Dann streichen wir meinen Namen durch.«
Er zog einen dicken Strich durch den ersten Namen auf der Liste. »Als nächster kommt Kermit an die Reihe. Sie werden zugeben, daß wir ihn ausschließen dürfen. Dann kommen Sie, Dave.« Lächelnd blickte er auf und strich die beiden Namen durch. Er fuhr fort: »Janey. Vielleicht trauen Sie ihr zu, daß sie ihren alten Onkel gern brotlos machen möchte. Ich glaube, ihretwegen dürfen wir unbesorgt sein.«
Er strich den vierten Namen durch.
»Was die Clarkes betrifft, so haben Sie selber bereits erwähnt, daß sie das Kind behalten wollen und auch viel zuviel Angst hätten, um den Mund aufzutun. Ruess – für
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