Das Grauen im Bembelparadies (German Edition)
ruhte unnatürlich verrenkt seitlich auf der Schulter.
Zehn Sekunden verharrte Herr Schweitzer völlig regungslos und apathisch, ehe ein verheerender Würgereiz von ihm Besitz ergriff. Mit einem lauten Knall, als könne er dadurch das Gesehene für immer von seiner Festplatte löschen, donnerte er die Tür zu und das gute Bitburger, das ihm doch so arg gemundet, verließ ihn auf demselben Wege, wie er es vereinnahmt hatte. Zum Sofa schaffte er es nicht, so sank er an der Wand entlang zu Boden.
Nur langsam normalisierte sich sein Puls. Er schloss die Augen. Nur ganz kurz, denn umgehend erschien das grausige Szenario auf seiner Netzhaut. Sofort riss er sie wieder auf. Was hätte er jetzt für einen Schluck Wasser gegeben! Wo sich der Wasserhahn befand, wusste er nur zu genau. Doch keine zehn Pferde hätten ihn zurück ins Bad treiben können. Herr Schweitzer hatte, wenig überraschend, die Schnauze gestrichen voll von makabren Leichen. Und des Biers war er gerade ein wenig überdrüssig, derNachgeschmack auf seiner pelzigen Zunge war noch immer gallig und schal. Er sah sich genauer im Zimmer um. Aber außer einer ganzen Batterie leerer und auch voller Cointreau-Flaschen und den lauwarmen Henninger-Bieren erblickte er nichts Trinkbares. Pech gehabt, dachte er. Sein Handy lag in Marias Wohnung. Nochmals Pech.
Und wie das so ist, wenn man einen Lauf hat, so vernahm Herr Schweitzer mitten in die ihn umgebende Friedhofsruhe hinein ein schepperndes Geräusch. Er spitzte sofort die Ohren. Eine andere Person? Wo? Ein Hauch von Abenteuer ist ja schön und gut, aber hier und jetzt lief gerade etwas gehörig aus dem Ruder. Blitzschnell stand er auf und irrte auf der Suche nach einem Gegenstand, der sich als Waffe benutzen ließ, durchs Zimmer. Der rostige Schraubenzieher lag bedauerlicherweise in der großen Halle nebenan. Also dort, wo das Geräusch herkam. Schlecht.
Letzten Endes fiel seine Wahl auf die leere Bit-Flasche. Herr Schweitzer griff sie am Hals und schlich zur Tür. Vorsichtig drehte er das Licht aus. Vielleicht war ja, wenn schon sonst nichts, wenigstens der Überraschungsmoment auf seiner Seite. So stand er da, die Flasche mit beiden Händen umklammert, und wartete darauf, dass jemand – möglicherweise ein abgebrühter Mörder der brutalsten Sorte – die Tür öffnete. Ohne zu zögern, hätte er mit aller Kraft, generiert aus Todesangst, zugeschlagen.
Nach zwei Minuten stand er immer noch in derselben Körperhaltung dort. Das Adrenalin pumpte unverändert fix durch seine Adern. Was sein wird, wird sein, flüsterte er, komm schon, dann haben wir’s wenigstens hinter uns. Oder besser, du hinter dir.
Ich hinter mir
ließ er gar nicht erst zu.
Nach fünf Minuten begann Herrn Schweitzers Konzentration nachzulassen. Auch wurden die Arme schwer. Den linken senkte er, der rechte war sowieso sein stärkerer. Seltsam war, dass nach dem Scheppern kein weiteres Geräusch folgte. Oder wartet der einfach nur ab, so wie ich? Ein Geduldsspiel also. Ha, dachte er, da bist du aber auf dem Holzweg, Freundchen, wenn du glaubst … In SachenGeduld hast du jetzt schon verloren. Also, öffne die Tür, und dann zack, hörst du die Englein singen. Wenn du Glück hast!
Nein? Dann halt nicht. Depp! Und was, wenn der schon längst wieder weg ist? Um das zu überprüfen, stellte er fest, müsste ich aber rausgehen und nachgucken. Dazu hatte Herr Schweitzer gerade keine rechte Lust. Obendrein hätte er dann das Geduldsspiel verloren. Und gegen einen grobschlächtigen Vielfachmörder wollte er auf keinen Fall den Kürzeren ziehen. Eine Revanche würde es nämlich nicht geben. Das Resultat wäre endgültig, seine Lebensflamme erloschen.
Eine Viertelstunde war vergangen, da hatte Herr Schweitzer eine geniale Idee. Schnell tastete er sich im Dunkeln zu den roten Leuchtdioden der Anlage und drehte die Musik wieder hoch. Dann zurück zur Tür. Bestimmt denkt der jetzt, so er denn noch dort drüben ist, so Herrn Schweitzers Überlegung, dass derjenige, der sich im Wohnzimmer aufhält, das Scheppern gar nicht gehört hat und sich ungezwungen im Wohnzimmer bewegt, so wie man sich halt ungezwungen in Wohnzimmern bewegt. Die Bit-Flasche war einsatzbereiter denn je.
Vielleicht ist es ja gar kein Mörder, dachte er nach zwanzig Minuten. Dora Rutke zum Beispiel, die nun mit ihrem eigenen Schlüssel zurückgekommen ist. Oder ein anderer aus der Clique. Könnte ja sein. Warum immer vom Schlimmsten ausgehen? Herr Schweitzer war Vernunftgründen
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