Das Grauen im Museum
tatsächlich Realität gewesen ? Wo endete die Wirklichkeit, und wo begannen die morbiden Träume? Hatte er in jenem finsteren Museumssaal vollständig den Verstand verloren, und war der ganze Kampf mit Rogers nur ein Fiebertraum gewesen ? Es hätte ihm sehr geholfen, seinen Seelenfrieden wiederzufinden, wenn er einige dieser beunruhigenden Fragen hätte klären können. Er mußtedieses Foto von dem wächsernen Wesen gesehen haben, das Rogers »Es« nannte, denn kein anderes Gehirn als das von Rogers konnte eine solche Phantasmagorie ausgeheckt haben. Es vergingen noch vierzehn Tage, bevor er den Mut aufbrachte, wieder die Southwark Street aufzusuchen. Er ging am hellichten Vormittag hin, zu einer Zeit also, da die Straßen mit den verfallenden Läden und Lagerhäusern von munterem, normalem Leben erfüllt waren. Das Schild des Museums war noch vorhanden, und als er auf das Haus zuging, sah er, daß das Museum geöffnet hatte. Der Portier erkannte ihn wieder und nickte ihm freundlich zu, während er all seinen Mut zusammennahm und das Gebäude betrat, und im Gewölbe unten legte einer der Wärter gut gelaunt die Hand an die Mütze. Vielleicht war doch alles nur ein Traum gewesen. Würde er es wagen, an der Werkstattür anzuklopfen und nach Rogers zu sehen?
Dann tauchte Orabona auf und begrüßte ihn. Sein dunkles, glattes Gesicht war ein bißchen sardonisch, aber Jones spürte,daß der Mann ihm nicht unfreundlich gesinnt war. Er sprach mit leichtem Akzent.
»Guten Morgen, Mr. Jones. Sie haben sich ja eine ganze Weile nicht bei uns blicken lassen. Wollten Sie Mr. Rogers sprechen? Es tut mir leid, aber er ist nicht da. Er mußte geschäftlich nach* Amerika verreisen. Ja, es kam ganz plötzlich. Ich vertrete ihn solange, hier und in seinem Haus. Ich gebe mir Mühe, Mr. Rogers’ hohen Standard zu halten, bis er wieder da ist.«
Der Ausländer lächelte vielleicht nur aus Liebenswürdigkeit. Jones wußte kaum, was er sagen sollte, erkundigte sich dann aber doch zaghaft nach dem Tag, der auf seinen letzten Besuch gefolgt war. Orabona schien sich über die Fragen sehr zu amüsieren und gab ihm überlegte Antworten.
»Ach ja, Mr. Jones, der 28. letzten Monats. Ich erinnere mich daran, aus mehreren Gründen. Am Morgen das heißt, noch bevor Mr. Rogers hier war fand ich die Werkstatt in größter Unordnung vor. Ich mußte sehr viel aufräumen. Mr. Rogers hatte noch spät in der Nacht gearbeitet, wissen Sie. Ein wichtiges neues Schaustück war in die entscheidende Phase seiner Entstehung getreten. Ich nahm mich des Exemplars sofort an, als ich hereinkam.
Es war eine knifflige Arbeit, aber ich habe natürlich von Mr. Rogers sehr viel gelernt. Er ist, wie Sie wissen, ein wahrhaft großer Künstler. Als er dann auch kam, half er mir, die Figur fertigzustellen ohne seine Hilfe wäre ich nicht weit gekommen -, aber dann verließ er uns schon bald, ohne sich auch nur zu verabschieden. Wie ich schon sagte, er mußte in einer dringenden Angelegenheit verreisen. Zur Fertigstellung der Figur waren komplizierte chemische Reaktionen erforderlich. Dabei ging es nicht ohne lautes Getöse ab. Ein paar Fuhrleute auf dem Hof draußen bildeten sich deshalb ein, sie hätten mehrere Pistolenschüsse gehört ein amüsanter, wenn auch
verständlicher Irrtum.
Was nun das neue Schaustück angeht, so haben wir damit Pech gehabt. Es ist ein großes Meisterwerk, von Mr. Rogers entworfen und im wesentlichen von ihm ausgeführt. Er wird sich darum kümmern, sobald er zurück ist.« Orabona lächelte.
»Wir bekamen Schwierigkeiten mit der Polizei. Wir stellten es vor einer Woche zum erstenmal aus, und zwei Besucher fielen in Ohnmacht. Einer bekam vor dem Schaustück einen epileptischen Anfall. Die Figur ist, müssen Sie wissen ein bißchen stärker -als die übrigen. Auch wesentlich größer. Natürlich stand sie in dem Alkoven. Tags darauf kamen zwei Männer von Scotland Yard, um es sich anzusehen, und meinten, es sei zu makaber, um öffentlich gezeigt zu werden. Wir mußten es auf ihr Geheiß entfernen. Das war jammerschade, denn es ist ein so wundervolles Kunstwerk, aber ich hielt mich nicht für befugt, die Anordnung in Mr. Rogers’ Abwesenheit gerichtlich anzufechten. Das Aufsehen, das dadurch entstünde, käme ihm jetzt gar nicht gelegen, aber wenn er wieder da ist wenn er wieder da ist -«
Aus einem unerfindlichen Grunde fühlte Jones, wie eine Welle des Unbehagens und Abscheus in ihm aufstieg. Aber Orabona fuhr fort.
»Sie sind ein
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