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Das Grauen im Museum

Das Grauen im Museum

Titel: Das Grauen im Museum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. P. Lovecraft
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ergründen vermochte, und die sich auf eine verstohlen sich nähernde Bedrohung zu beziehen schien, nicht den Tod, sondern etwas Namenloses, Unerhörtes, das noch unendlich viel widerwärtiger und grauenhafter sein mußte. Im nächsten Augenblick wurde mir klar, daß das unmittelbare Symbol und der Anlaß meiner Furcht das schreckliche Pochen war, das unaufhörlich und mit unerträglicher Regelmäßigkeit in meinem erschöpften Gehirn pulsierte. Es schien von einem Punkt außerund unterhalb des Gebäudes zu kommen, in dem ich stand, und mit den erschreckendsten geistigen Bildern einherzugehen. Ich spürte, daß irgendeine schreckliche Szene oder ein grauenerregendes Objekt hinter den mit Seide behängten Wänden lauerte, und schrak davor zurück, durch die kunstvoll vergitterten, überwölbten Fenster zu schauen, die sich auf so verwirrende Weise allenthalben auftaten. Als ich sah, daß all diese Fenster Läden hatten, schloß ich diese alle, wobei ich den Blick abwandte, um nicht nach draußen zu blicken. Dann zündete ich mit einem Feuerzeug, das ich auf einem der Tischchen fand, die vielen Kerzen an, die in arabesken Leuchtern an den Wänden standen. Das Gefühl größerer Sicherheit, das mir die geschlossenen Fensterläden und das künstliche Licht gaben, beruhigte meine Nerven in gewissem Grade, aber es gelang mir nicht, das monotone Pochen auszusperren. Nun da ich ruhiger war, wurde das Geräusch ebenso faszinierend, wie es furchterregend war, und ich verspürte einen widersprüchlichen Wunsch, trotz meiner immer noch starken Scheu seinen Ursprung ausfindig zu machen. Indem ich eine Portiere an der Seite des Raumes öffnete, die dem Pochen am nächsten war, erblickte ich einen kleinen und reich drapierten Korridor, der mit einer geschnitzten Tür und einem großen Erkerfenster abschloß. Zu diesem Fenster zog es mich unwiderstehlich, obwohl meine vagen Ängste ebenso sehr darauf bedacht schienen, mich zurückzuhalten. Als ich mich ihm näherte, sah ich in der Ferne ein chaotisches Wirbeln von Wassern. Dann, als ich es erreicht hatte und nach allen Seiten hinausschaute, brach das stupende Bild meiner Umgebung mit verheerender Gewalt über mich herein.
    Es bot sich mir ein Anblick, wie ich ihn noch nie geschaut hatte und wie ihn kein Lebender je gesehen haben kann, es sei denn im Delirium des Fiebers oder im Inferno des Opiums. Das Bauwerk stand auf einer schmalen Landspitze zumindest war es fetzt eine Landspitze volle dreihundert Fuß über dem Grund, der noch vor kurzem ein siedender Strudel irrwitziger Wassermassen gewesen sein mußte. Beiderseits des Hauses fiel ein frisch ausgewaschener Steilhang von roter Erde in die Tiefe, während vor mir die gewaltigen Wogen noch immer schrecklich heranrollten und sich mit gespenstischer Monotonie und boshafter Willkür in das Land fraßen. Ein oder zwei Meilen entfernt hoben und senkten sich bedrohliche Brecher von mindestens fünfzig Fuß Höhe, und am fernen Horizont lagerten greuliche schwarze Wolken von groteskem Umriß, brütend und lauernd wie widerwärtige Geier. Die Wellen waren dunkel und blau-violett, beinahe schwarz, und rissen wie grobe, gierige Hände an der weichen roten Erde des Ufers. Ich konnte nur mutmaßen, daß irgendein verderblicher Geist des Meeres dem festen Land einen Vernichtungskrieg erklärt hatte, womöglich ermuntert durch den zornigen Himmel.
    Als ich endlich die Benommenheit abschüttelte, die dieses unnatürliche Schauspiel mir verursacht hatte, wurde mir klar, daß ich in höchster physischer Gefahr schwebte. Unter meinen Augen hatte das Ufer bereits wieder viele Fuß an das Meer verloren, und es konnte nicht mehr lange dauern, bevor das Haus gänzlich unterspült in den schrecklichen Abgrund der peitschenden Wogen stürzen würde. So eilte ich denn auf die gegenüberliegende Seite des Bauwerks und trat, als ich dort eine Tür fand, augenblicklich ins Freie, und schloß sie hinter mir ab mit einem merkwürdigen Schlüssel, der drinnen gehangen hatte. Ich konnte nun mehr von meiner seltsamen Umgebung überblicken und bemerkte eine einzigartige Teilung, die in dem feindseligen Ozean und Firmament zu bestehen schien. Auf den beiden Seiten des schmalen Vorgebirges herrschten ganz verschiedene Verhältnisse. Zu meiner Linken, dem Lande zu, erstreckte sich eine sanft atmende See mit großen grünen Wellen, die friedlich unter einer strahlenden Sonne heranrollten. Irgend etwas an der Art und Stellung dieser Sonne ließ mich schaudern, aber ich

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