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Das Grauen im Museum

Das Grauen im Museum

Titel: Das Grauen im Museum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. P. Lovecraft
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Kenner, Mr. Jones. Ich bin sicher, daß ich gegen kein Gesetz verstoße, wenn ich Ihnen die Figur zeige, gewissermaßen privat. Ohne Mr. Rogers’ Entscheidung vorgreifen zu wollen es ist möglich, daß wir die Figur eines Tages wieder zerstören, aber das wäre ein Verbrechen.«
    Einen Moment lang überlegte Jones, ob er nicht lieber ablehnen und das Weite suchen sollte, aber Orabona hatte ihn schon mit der Begeisterung eines Künstlers am Arm gepackt und zog ihn mit. Vor dem Alkoven, der mit unsäglichen
    Schreckgestalten vollgestopft war, standen keine Besucher. In der hinteren Ecke war eine große Nische mit einem Vorhang abgeteilt worden, und auf diese ging der Assistent lächelnd zu.
    »Sie müssen wissen, Mr. Jones, der Titel dieses Schaustücks ist »Das Opfer für Rhan-Tegoth.« Jones fuhr zusammen, aber Orabona schien es nicht zu bemerken.
    »Der formlose, kolossale Gott figuriert in gewissen obskuren Legenden, die Mr. Rogers studiert hat. Das ist natürlich alles Unsinn, wie Sie Mr. Rogers so oft versichert haben. Er soll aus dem Weltraum auf die Erde gekommen sein und vor drei Millionen Jahren in der Arktis gelebt haben. Er ging mit den Opfern, die ihm dargebracht wurden, recht eigenartig und, wie Sie sehen werden, recht grausam um. Mr. Rogers hatte die Gruppe verblüffend lebensecht modelliert, bis hin zum Gesicht des Opfers.«
    Jones, der jetzt heftig zitterte, klammerte sich an das Messinggeländer vor der zugehängten Nische. Er wollte Orabona schon in den Arm fallen, als dieser den Vorhang zur Seite zog, doch ein anderer Impuls hielt ihn zurück. Der Ausländer lächelte triumphierend. »Schauen Sie!« Jones wurde schwindlig, obwohl er sich an dem Geländer festhielt.
    »Großer Gott!«
    Volle zehn Fuß hoch, trotz seiner tückisch geduckten Haltung, aus der unendliche kosmische Bösartigkeit sprach, stand ein Ungeheuer von unvorstellbar
    grauenerregendem Äußeren im Begriff, von einem zyklopischen, mit grotesken Reliefs geschmückten Elfenbeinthron zu gleiten. Mit den mittleren beiden seiner sechs Beine hielt es ein zermalmtes, plattgedrücktes, verzerrtes und blutloses Ding gepackt, das millionenfach durchlöchert und stellenweise wie mit scharfer Säure angeätzt war. Nur der zerfleischte Kopf des Opfers, der verkehrt herum auf einer Seite herabbaumelte, deutete darauf hin, daß es sich um ein Wesen handelte, das einmal ein Mensch gewesen war.
    Das Monstrum bedurfte keines Titels für einen, der ein gewisses teuflisches Foto gesehen hatte. Dieses abscheuliche Bild war nur allzu wirklichkeitsgetreu gewesen, hatte aber trotzdem nicht das ganze Grauen vermittelt, das die gigantische Wirklichkeit hervorrief. Der kugelförmige Rumpf die blasenartige Andeutung eines Kopfes die drei Fischaugen der einen Fuß lange Rüssel die geblähten Kiemen die zahllosen kurzen, mit Saugnäpfen versehenen Tentakeln die sechs gewundenen Gliedmaßen mit ihren schwarzen Tatzen und krebsartigen Scheren gütiger Gott! Wie bekannt ihm diese schwarze Tatze mit den Scheren vorkam!
    Orabonas Lächeln war im höchsten Grade abstoßend. Jones würgte und starrte das gräßliche Schaustück mit wachsender Faszination an, die ihn verwirrte und verstörte. Welche Ahnung eines nur halb erkannten Schrecknisses zwang ihn, das Ungeheuer noch länger zu betrachten und nach Einzelheiten zu suchen? Das hatte Rogers in den Wahnsinn getrieben … Rogers, den hervorragenden Künstler … Er hatte gesagt, sie seien nicht künstlich …
    Dann sah er, was ihn so faszinierte. Es war der baumelnde wächserne Kopf des Opfers. Das Gesicht war nicht ganz unkenntlich, und es kam Jones irgendwie bekannt vor. Es ähnelte dem vom Wahnsinn verzerrten Gesicht des armen Rogers. Jones sah genauer hin, ohne eigentlich zu wissen, was ihn dazu trieb. War es nicht verständlich, daß ein wahnsinniger Egozentriker seinem Meisterwerk seine eigenen Züge verlieh? Oder gab es noch etwas, was sein Unterbewußtsein längst wahrgenommen hatte und nur aus schierem Entsetzen unterdrückte?
    Das Wachs des verstümmelten Gesichts war ungeheuer raffiniert bearbeitet worden. Diese Einstiche wie genau sie den zahllosen Wunden glichen, die jenem bedauernswerten Hund zugefügt worden waren! Aber da war noch etwas anderes. Auf der linken Wange war eine Unregelmäßigkeit zu erkennen, die irgendwie nicht ins Bild passen wollte, so als hätte der Bildhauer versucht, einen Fehler zu kaschieren, der ihm beim ursprünglichen Modellieren unterlaufen war. Je länger Jones schaute, um

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