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Das grobmaschige Netz - Roman

Das grobmaschige Netz - Roman

Titel: Das grobmaschige Netz - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H kan Nesser
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hindern.
    Dann fragte er sich, wie viele Zeugen die Anklage wohl hinter diesen Mauern hier gefunden hatte? Wenn man sich Mühe gegeben hatte, dann würden sich sicher zwei oder drei finden lassen, das hatte er im Gefühl.
    Aber als er dann wieder in seinem Auto saß und im Rückspiegel die düstere Silhouette des Bunge-Gymnasiums verschwinden sah, dachte er vor allem an ein heißes Bad und einen befriedigend großen Cognac.
    Seine Ehefrau behauptete zwar, dass diese Kombination kein brauchbares Mittel gegen eine Erkältung sei, aber er hatte beschlossen,
nicht mehr auf sie zu hören. Drei Tage lang hatte er sich zum Frühstück mit bitteren Vitaminpillen vollgestopft, aber das hatte ihn nicht um einen Zentimeter näher an die Genesung herangeführt.

8
    Warum kamen sie nicht?
    Diese Frage stellte sich am Tag danach, wenn auch erst gegen Abend. Die Stunden vorher waren in glasiger Trance vor ihm abgerollt, in unbegreiflicher Verwirrung, aber sowie seine Gedanken irgendwo haften bleiben konnten, war auch schon diese Frage da.
    Warum ließen sie nichts von sich hören?
    Noch eine Nacht verstrich. Und noch ein Tag.
    Nichts passierte. Er ging zur Arbeit, kümmerte sich um seine Angelegenheiten, ging abends nach Hause ... leicht und rasch kam seine Kraft zurück, und er wusste, dass er keine Angst vor der Begegnung haben würde.
    Und dann passierte gar nichts.
     
    Eine Woche später machte diese unbegreifliche Frage ihm noch immer zu schaffen. Er überlegte, dass sicher irgendein Missverständnis an allem schuld war ... sie hatten ihn gesucht, hatten ihn aber nicht finden können.
    Zu Hause oder bei der Arbeit.
    Das erschien zwar nicht weiter wahrscheinlich, aber sicherheitshalber blieb er in der zweiten Woche zwei Tage zu Hause. Ließ sich wegen einer Gastritis krankschreiben und verbrachte die ganze Zeit in der Wohnung.
    Damit sie ihn auf jeden Fall antreffen würden.
Er saß während dieser Tage in seiner Wohnung und dachte alles immer wieder durch. Und plötzlich ergab dann alles einen Sinn. Sein ganzes Leben hatte sich auf diese Situation zubewegt. . . wenn er das nur schon früher erkannt hätte! Das hätte ihm vieles ersparen können. Wenn er gesehen hätte, dass das hier der einzige Ausweg war. Plötzlich war das alles so selbstverständlich, dass er über seine eigene Blindheit den Kopf schüttelte.
    Sie war tot. Er konnte leben.
     
    Und nichts passierte.
    Keine unbekannte Stimme, die ihm am Telefon Fragen stellte. Keine düsteren Gestalten in nassen Trenchcoats, die vor der Tür standen. Nichts.
    Worauf warteten sie denn bloß?
    Immer wieder stand er hinter dem Vorhang und hielt auf der Straße nach geheimnisvollen parkenden Autos Ausschau. Er lauschte auf das leise Klicken, das verriet, dass sein Telefon abgehört wurde. Er las alle Zeitungen, aber nirgendwo ... nirgendwo konnte er auch nur den Schatten einer Erklärung entdecken.
    Das war unbegreiflich.
     
    Nach drei Wochen war es nicht weniger unbegreiflich, aber nun hatte er sich daran gewöhnt. Die Lage war nicht nur unangenehm. Die Ungewissheit brachte auch einen leisen Kitzel.
    Diesen bestimmten Kitzel.
    Am Morgen des ersten Verhandlungstages stand er schon früh auf. Blieb lange vor dem Badezimmerspiegel stehen, um sein eigenes Bild anzulächeln. Spielte mit dem Gedanken, ins Gerichtsgebäude zu gehen. Sich auf die Zuhörerbank zu setzen und alles anzugaffen.
    Sah aber ein, dass er damit zu weit gehen, dass er das Schicksal herausfordern würde.

    Und warum sollte er etwas herausfordern, das ihm doch offenbar wohlgesonnen war?
    Als er zur Arbeit fuhr, ertappte er sich unterwegs sogar beim Singen.
    Es war nicht gestern gewesen. Er fing im Rückspiegel seinen Blick auf. Und sah darin ein Funkeln.
    Und als er da vor der roten Ampel wartete, sah er aus den Augenwinkeln heraus, wie die Frau im Volvo neben ihm den Kopf drehte und ihn anlächelte.
    Er schluckte und merkte, dass er eine Erektion bekam.

9
    Der Traum stellte sich in den frühen Morgenstunden ein; als das erste graue Licht langsam die Dunkelheit aus seiner Zelle vertrieb ... vielleicht, als die Frühstückswagen schon durch den Korridor schepperten.
    Und er konnte sich an alles erinnern; vielleicht war das gerade in dem Moment, als er aufwachte, vielleicht hätte sich für alles eine Erklärung gefunden, wenn er nur noch einige Minuten hätte weiterschlafen können. Vielleicht hätten sogar Sekunden ausgereicht.
    Anfangs wanderte er. Ein trostloser Marsch durch eine endlose öde Ebene. Eine

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