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Das grobmaschige Netz - Roman

Das grobmaschige Netz - Roman

Titel: Das grobmaschige Netz - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H kan Nesser
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wie den Text eines Buches, wie ein Musiker, der durch das Gewimmel von Noten hindurch die Melodie erfasst, wie ein Mathematiklehrer, der eine fehlerhafte Berechnung entdeckt. Das war nicht weiter merkwürdig, aber eine Kunst war es natürlich doch. Man erlernte diese Kunst nicht ohne weiteres und konnte sie auch nicht vermitteln, es war einfach eine Fähigkeit, die er in seinen vielen und langen Jahren bei der Kripo erworben hatte.
    Natürlich war das ein Geschenk, und in gewisser Hinsicht hatte er dieses Geschenk auch verdient.

    Dankbar war er deshalb noch lange nicht.
    Natürlich wusste er, dass er der beste Verhörleiter im Bezirk und vielleicht sogar im ganzen Land war, aber wie gern hätte er auf diese Ehre verzichtet, um stattdessen Münster beim Badminton ordentlich an die Wand spielen zu können.
    Wenigstens ein einziges Mal!
    Und natürlich verdankte er seine Beförderung zum Hauptkommissar seinen Leistungen, auch wenn andere sich durchaus für diesen Posten interessiert hatten, als der alte Mort in Pension gegangen war.
    Und natürlich zerriss der Polizeichef deshalb immer wieder seine Kündigungsschreiben und warf die Fetzen in den Papierkorb.
    Van Veeteren musste auf seinem Posten aushalten.
    Nach und nach hatte er sich mit diesem Schicksal wohl abgefunden. Vielleicht war das nur gut so; mit jedem neuen Jahr fiel es ihm schwerer, sich eine andere Arbeit vorzustellen.
    Warum ein deprimierter Obergärtner oder Busfahrer sein, wenn man auch ein deprimierter Kriminalkommissar sein kann, wie Reinhart es in einem seiner lichteren Momente ausgedrückt hatte.
     
    Aber was war mit diesem Fall?
    In neunzehn von zwanzig Fällen war er sich sicher.
    Beim zwanzigsten kamen ihm Zweifel.
    Und beim einundzwanzigsten ...
    Ein alter Gassenhauer fiel ihm ein:
    Neunzehn junge Mädchen ...
    Er trommelte mit den Fingern auf dem Lenkrad herum und versuchte, im Dunkel seiner Erinnerungen herauszufinden, wie es weiterging... . lagen dem Leutnant zu Füßen?
    Hörte sich schwachsinnig an, aber egal. Und dann?
    Neunzehn junge Mädchen lagen dem Leutnant zu Füßen. Bei der Zwanzigsten holte er sich... ?

    Einen Korb, überlegte Van Veeteren. Einen Tripper? Nein, das wohl nicht.
    Die Zwanzigste gab ihm einen Korb, die Einundzwanzigste brachte ihn ums Leben.
    Was für ein Blödsinn! Er spuckte den Zahnstocher aus und hielt vor dem Polizeigebäude. Wie immer musste er erst einmal seinen ganzen Mut aufbringen, ehe er aus dem Auto ausstieg; zweifellos war das hier eines der drei allerscheußlichsten Bauwerke in der ganzen Stadt.
    Die beiden anderen waren das Bunge-Gymnasium, an dem er selber vor vielen Jahren sein Abitur gemacht hatte und an dem dieser Mitter angestellt gewesen war ... und die Mietskaserne, in der Van Veeteren seit sechs Jahren hauste.
    Er öffnete die Tür und suchte auf dem Rücksitz nach seinem Regenschirm, dann fiel ihm ein, dass er den zu Hause zum Trocknen ins Treppenhaus gestellt hatte.

6
    »Mahlzeit!«
    Hinter dem Kommissar fiel die Tür ins Schloss. Mitter wandte den Blick ab. Abgesehen von seinem ehemaligen Schwiegervater und dem Chemie- und Physiklehrer Jean-Christophe Colmar musste Van Veeteren der unsympathischste Mensch sein, der ihm je über den Weg gelaufen war.
    Und dieser Mensch saß nun hier in seiner Zelle und kaute unentwegt auf einem Zahnstocher herum. Mitter hätte am liebsten alles sofort gestanden. Nur, um von diesem Anblick befreit zu werden.
    Nur, um seine Ruhe zu haben.
    Aber das würde wohl doch nicht so einfach sein. Van Veeteren ließe sich bestimmt nicht hinters Licht führen. Wie ein bedrohliches und boshaftes Tiefdruckgebiet saß er da und
beugte seinen schweren Oberkörper über das Tonbandgerät. Blaue geplatzte Äderchen durchzogen sein Gesicht, und seine Miene war so ausdrucksvoll wie die eines versteinerten Bluthundes. Das Einzige, was sich darin bewegte, war der Zahnstocher, der langsam von einem Mundwinkel zum anderen wanderte. Van Veeteren konnte sprechen, ohne die Lippen zu bewegen, lesen, ohne den Blick zu heben oder zu senken, gähnen, ohne den Mund zu öffnen ... er sah aus wie eine Mumie, nicht wie ein Mensch aus Fleisch und Blut.
    Aber zweifellos war er ein sehr fähiger Polizist.
    Es wäre keine große Überraschung gewesen, wenn der Kommissar vor Mitter gewusst hätte, ob dieser schuldig oder unschuldig war.
    Van Veeterens Stimmlage modulierte zwischen zwei Vierteltönen gleich unter dem tiefen C. Der höhere Ton kennzeichnete Fragen, Zweifel oder Heiterkeit. Der

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