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Das große Buch der Lebenskunst

Titel: Das große Buch der Lebenskunst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anselm Grün
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denen, die uns verwundet haben, Macht über uns. Manche wühlen da
     ständig in ihren eigenen Wunden. Da ist Wut eine ganz wichtige Kraft. Wenn ich Wut empfinden kann gegenüber dem, der mich verletzt hat, dann kann ich mich
     distanzieren, dann kann ich trennen zwischen den Problemen des andern und meinen eigenen. Wut ist der erste Schritt zur Befreiung und Heilung.
    Ärger und Wut sollten uns aber nicht auf Dauer bestimmen. Eine Hilfe ist, den Ärger vor dem Schlafengehen anzuschauen und abzulegen, damit er sich
     nicht im Traum im Unbewussten festsetzt und sich am nächsten Tag als diffuse Unzufriedenheit äußert. Wenn wir den Ärger in die Nacht mitnehmen, verlieren
     wir die Kontrolle über uns, wir werden weiter aus dem Unbewussten von Ärger und Groll gesteuert. »Lass die Sonne nicht über deinem Zorn untergehen, sonst
     kommen während deiner Nachtruhe die Dämonen und ängstigen dich und machen dich so noch feiger für den Kampf des folgenden Tages. Denn die Wahnbilder der
     Nacht entstehen gewöhnlich durch den erregenden Einfluss des Zorns. Und nichts macht den Menschen so sehr bereit, sein Ringen aufzugeben, als wenn er
     seine Regungen nicht kontrollieren kann.«
    Wenn der Zorn das Unbewusste infiziert hat, verliert der Mensch jede Kontrolle über sich, und er wird seinem Zorn schutzlos ausgeliefert. Das aber
     zerreißt ihn.
Schweigen heilt
    S chweigen ist der spirituelle Weg schlechthin. Im Schweigen begegnen wir uns und unserer inneren
     Wirklichkeit. Aber das Schweigen ist auch ein Weg, frei zu werden von den Gedanken, die uns ständig beschäftigen. Da geht es nicht um ein äußeres
     Schweigen, sondern um ein Schweigen des Herzens. Das äußere Schweigen kann aber eine Hilfe dafür sein, dass auch das Herz still wird, dass die Emotionen
     sich legen und uns nicht mehr bestimmen.
    Das Aussprechen der Verletzungen ist sicher ein gutes Mittel, damit sie heilen können. Das hat uns die Psychotherapie heute zur Genüge gezeigt. Aber es
     gibt durchaus auch das Heilmittel des Schweigens. Im Schweigen können sich die inneren Erregungen beruhigen, da kann sich der aufgewirbelte Staub setzen,
     so dass sich das Innere klärt wie beim trüben Wein, der durch stilles Lagern klarer wird.
Was tun?
    D er Weg zu einer spirituellen Lebenskultur war für die Mönche immer die konkrete Übung. Meistens waren es
     drei Ratschläge, die ein Altvater einem jungen Mönch gab, der ihn nach dem Weg zum wahren Mönchtum fragte.
    »Ein Bruder, der mit anderen Brüdern zusammenlebte, fragte den Altvater Besarion: ›Was soll ich tun?‹ Der Greis antwortete ihm: ,Schweige und miss dich
     nicht mit anderen.‘«
    Eine andere Übung zeigt uns Antonios: »Der Altvater Pambo fragte den Altvater Antonios: ›Was soll ich tun?‹ Der Alte entgegnete: ›Baue nicht auf deine
     eigene Gerechtigkeit und lass dich nicht ein Ding gereuen, das vorbei ist, und übe Enthaltsamkeit von der Zunge und vom Bauch.‹«
Nur kein Neid
    D er Neid zeigt sich im ständigen Sich-Vergleichen mit andern. Ich kann keinem andern begegnen, ohne mich
     mit ihm zu vergleichen. Ich fange sofort an zu werten, zu bewerten, zu entwerten und aufzuwerten. Normalerweise versuche ich den andern zu entwerten, um
     mich selbst aufzuwerten. Ich schaue nach seinen Schwachstellen oder entwerte sein Auftreten als verklemmt, als krankhaft, seinen Erfolg als Schein, seine
     Intelligenz als schwach usw. Und umgekehrt: Wenn mir das nicht gelingt, dann entwerte ich mich selbst und hebe den andern auf den Podest.
    Auch im Neid bin ich nicht bei mir, bin ich mit mir selbst nicht zufrieden, habe kein Gefühl für meine Würde. Ich erkenne meinen Wert immer nur im
     Vergleich mit andern. Das ist sehr anstrengend. Es zwingt mich entweder, die andern übertreffen zu müssen, oder aber es stürzt mich in Depression, weil
     ich keine Chance sehe, mit den andern mithalten zu können.
Begegnung als Chance
    I mmer wieder können wir es erfahren, auch im Gespräch, in der Begegnung: Da wird auf einmal das, was die
     Menschen mitbringen, verwandelt. In solchen geglückten Situationen spüren sie, dass alles, was sie sind, einen Sinn hat. Thomas von Aquin hat einmal
     gesagt: Jeder Mensch ist ein einzigartiger Ausdruck Gottes. Und in der Tat: Die Welt wäre ärmer, wenn nicht jeder von uns auf seine persönliche und
     einzigartige Weise Gott in dieser Welt sichtbar und vernehmbar machen würde. So geschieht Verwandlung.
    Du selber kannst Zeuge dieses wunderbaren Wandlungsprozesses

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