Das große Buch der Lebenskunst
rein sein, als ob wir nur aus ganz edlen Gründen helfen. Wer andern hilft, der bekommt auch etwas zurück. Das Buch der Sprüche formuliert es
sehr realistisch: Der Helfer wird vom Helfen satt.
Eine Mönchsgeschichte bringt das Bild vom ungereinigten Getreide, das wir säen. Wir haben kein reines Getreide. Doch anstatt zu warten, bis unsere
Motivation ganz und gar rein ist, sollen wir lieber das ungereinigte Getreide aussäen, damit wir und andere davon satt werden. Wer all sein Tun völlig
hinterfragt, wird nie zum Handeln kommen, das ihm und andern Segen bringt. Ich darf beim Helfen dankbar wahrnehmen, dass es auch mir gut tut, dass ich
etwas zurückbekomme, wenn ich einem andern beistehe.
Sorgt für euch selber
E s gibt Menschen, die sich zu sehr für andere aufopfern und sich selbst dabei vergessen. Ihnen sage ich
immer wieder: Sorgt auch für euer eigenes Wohl. Aber dem, der vor lauter Sichselbst-Wohltun nur noch um sich kreist, kann ich nur einen anderen Rat geben:
Gehe auf andere Menschen zu. Lass dich auf sie ein. Versuche zu helfen, wo du helfen kannst. Schenke deine Zuwendung.
Gut zu leben heißt immer auch: in Beziehung leben. Wer nur um sich selber kreist, der tut sich selbst nichts wirklich Gutes. Nur wer andere liebt,
bekommt die Liebe zurück. Jeder, der einem anderen schon einmal wirklich helfen konnte, konnte es erfahren: Das Glück dessen, dem man geholfen hat,
strahlt auf den Helfer zurück.
Teilen
D er Geschmack des geteilten Brotes hat nicht seinesgleichen«, sagt Antoine de Saint-Exupéry.
Viele haben diese Erfahrung gemacht, dass Brot besser schmeckt, wenn man es mit einem andern teilt. Wir sind auf der Wanderung. Ein Wanderer hat kein
Brot mitgenommen. Er hat sich verschätzt. Wir geben ihm von unseren Broten. Es schmeckt ihm und uns besser. Offensichtlich ist es nicht nur das Brot, das
den Geschmack hergibt. Es ist auch die Liebe, die wir in das Brot hineinlegen, die das Brot so schmackhaft macht. Und es ist die Gemeinschaft, die
entsteht, wenn wir miteinander das Brot teilen. In jeder Eucharistiefeier bricht der Priester das Brot und teilt es aus. Er tut das, was Jesus beim
letzten Abendmahl getan hat: »Während des Mahls nahm er das Brot und sprach den Lobpreis; dann brach er das Brot, reichte es ihnen und sagte: Nehmt, das
ist mein Leib.« (Mk 14,22) Die Jünger haben in diesem gebrochenen und geteilten Brot Jesus selbst geschmeckt, der sie bis zur Vollendung geliebt hat, der
sich für sie zerbrechen ließ, damit ihr Leben nicht zerbricht, der sich selbst ihnen mitteilte, damit sie auf neue Weise ihr Leben miteinander teilen.
Heilen
W enn sich die Menschen durch dich geachtet fühlen, bei einer Begegnung, beim Gruß, den du ihnen schenkst,
dann geschieht durch dich genau das, was durch Jesus geschehen ist. Noch heute geschieht Heilung auf die gleiche Weise. Auch durch uns – wenngleich nicht
durch unser Verdienst: Wir dürfen Menschen, die sich selbst nicht bejahen können, die sich aussätzig fühlen, bedingungslos annehmen und ihnen so die
eigene Selbstannahme ermöglichen. Da dürfen wir Menschen, die blockiert sind, gehemmt und gelähmt, wieder zum Leben hervorlocken. Da gelingt es uns
manchmal, dass Menschen, die verstummt sind, die niemanden haben, mit dem sie über sich und ihre eigentliche Wahrheit reden, zu sprechen beginnen, dass
Menschen, die taub geworden sind, die sich innerlich verschlossen haben, wieder durch ein Wort angerührt werden und ihr Herz öffnen. Und da erleben wir,
wie Menschen, die sich mit Schuldgefühlen selbst zerfleischen, Vergebung erfahren und frei werden von der destruktiven Tendenz der
Selbstverstümmelung. Solche Wunder geschehen auch heute immer wieder, nicht durch unser Verdienst, sondern weil Gott uns schwache Menschen immer wieder
als sein Werkzeug nimmt, um heute Menschen zu heilen und zu befreien. Das ist göttliches Leben, das durch uns hindurchgeht, über das wir nur dankbar
staunen dürfen.
Frieden schaffen
W ir alle suchen nach Frieden. Du wirst keinen Frieden schaffen, wenn du nicht auch deine kämpferische
Seite mit einbringst. Manchmal ist diese aggressive Kraft hilfreich, um Friedensziele durchzusetzen. Manchmal scheint sie aber auch Zeichen einer inneren
Unzufriedenheit zu sein. Wenn Menschen, die in sich zerrissen sind, Frieden stiften wollen, erreichen sie nur das Gegenteil. Frieden entsteht nicht durch
Verdrängen oder Unterdrücken der Aggression. Du musst deine
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