Das große Buch vom Räuber Grapsch
huschte am Schlafzimmer der schnarchenden Tante vorbei in ihr eigenes Kämmer-chen, packte alle ihre Kleider, ihre Schuhe, Waschbeutel mit Zahnbürste, Kamm und Seife, ihr Nähzeug und ihre drei Bücher in ihren Koffer, reichte ihn zum Fenster hinaus, wo Grapsch wartete, und kletterte mit ihrem Kofferradio hinterher.
„Das Radio?", flüsterte er. „Das geht nicht. Das macht Lärm. Das verrät unsere Höhle. Lass es hier."
„Dann werde ich's eben nicht andrehen", flüsterte Olli. „Aber mit muss es. Der Tante lass ich's nicht."
Während sie zum Wald zurückschlichen, flüsterte Olli: „Das hat ja wunderbar geklappt. Ich hab mir gar nicht vorgestellt, dass das Rauben so leicht ist."
„Es waren ja auch deine eigenen Sachen, die du geraubt hast", sagte Grapsch. „Deshalb. Und wo willst du morgen Nacht hin?"
„In die Fabrik", antwortete sie, ohne zu überlegen.
Eine Ofentür auf dem Rücken oder: Da schnarcht er und schämt sich nicht
In der nächsten Nacht schlichen sie also in die Sparschwein-Fabrik Fleiß & Preis AG. Zwischen endlosen Reihen von unbemalten und bemalten Sparschweinen und Stapeln von Schachteln, in denen Sparschweine zum Versand bereitstanden, versteckte sich das Räuberpaar und wartete ab, bis der Wachmann seine Runde durch die Halle gemacht hatte und sich erlaubte, in seinem Zimmerchen eine halbe Stunde zu schlummern.
In dieser halben Stunde schlichen sich Olli und Grapsch zum Brennofen, wo tagsüber die Sparschwein-Masse in Sparschwein-Formen gebrannt wurde.
Zum Glück war der Ofen, so groß wie ein Zimmer, schon so weit ausgekühlt, dass Grapsch die Ofentür aushängen und auf den Rücken nehmen konnte.
„Wozu, um alles in der Welt, brauchst du eine Ofentür?", fragte er. „Ich?", fragte sie. „Ich brauche sie nicht. Aber die werden sich morgen freuen, wenn sie fort ist."
Sie zeigte auf die Plätze der Sparschwein-Bemalerinnen. Sie waren an langen Tischen aneinander gereiht, die von einer Seite der Halle bis zur anderen reichten.
„Schau", erklärte sie, „der dort war mein Platz. Wenn die wüssten, dass sie mir den freien Tag zu verdanken haben -! Vielleicht dauert's auch zwei Tage oder sogar drei, bis eine so große und dicke neue Ofentür aufgetrieben und herangeschafft werden kann?"
„Ja, sie ist verdammt groß und dick", keuchte Grapsch unter der Ofentür. Über seinen nackten Rücken lief der Schweiß. Eine Viertelstunde später stellte er sie neben dem Textilgeschäft Schniekerle ab und raubte sich ein olivgrünes Hemd, das er sich auch gleich überzog.
„Und jetzt", flüsterte Olli, „rauben wir dem Hausmeister von der Schule noch den Schlüsselbund! Die Schulkinder sollen morgen auch eine Freude haben. Bis der Hausmeister die Klassenräume ohne seinen Schlüsselbund aufgekriegt hat, wird sicher die erste Schulstunde vergangen sein."
„Wenn's denn sein muss", seufzte Grapsch, lud sich die Ofentür wieder auf und schleppte sie weiter.
Sie entdeckten den Schlüsselbund in der Pausenhalle: in der Arbeitsjacke des Hausmeisters, die der dort hängen gelassen hatte. Kaum waren sie wieder draußen, warf Olli den Schlüsselbund in den Müllcontainer der Gärtnerei Paradeiser und streute noch einen Arm voll Laub darüber.
„So", sagte sie. „Das hat mir Spaß gemacht, und den anderen wird's Freude bringen - fast allen."
Grapsch wollte auch seine Ofentür in den Container kippen. „Aber nein", flüsterte Olli, „da könnte sie ja morgen gefunden werden! Die müssen wir schon mitnehmen in unsere Höhle." Grapsch zog eine grimmige Grimasse und verdrehte die Augen -aber so, dass sie's nicht sehen konnte.
„Wirklich", seufzte sie zufrieden, „ich hab mir das Rauben schwieriger vorgestellt. Und jetzt hab ich Hunger. Du auch?" Er zeigte auf einen Bäcker jungen, der auf seinem Rad gerade um die Ecke bog. Er war klein und mager und hatte noch verschlafene Augen. Auf dem Gepäckträger hatte er einen großen Korb mit frischen Brötchen. Grapsch schwankte ihm mit der Ofentür in den Weg und knurrte: „Brötchen her!"
Der Junge bremste erschrocken und sprang ab. Sein Gesicht wurde weiß vor Angst.
„Nimm dir raus, so viele du brauchst, und stopf mir auch die Hosentaschen voll", sagte Grapsch zu Olli.
„Ach bitte nicht", jammerte der Junge. „Der Meister wird mich ausschimpfen, wenn Brötchen fehlen. Er wird mir nicht glauben, wenn ich ihm erzähl, dass Sie's gewesen sind, Herr Grapsch. Er hat gesagt, wenn Brötchen verschwinden, schmeißt er mich raus. Oh
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