Das große Buch vom Räuber Grapsch
im Bach sauber, rieb ihn mit einem Büschel Laub trocken und trug ihn zurück in die Höhle. Olli flößte ihm einen Liter heißen Tee ein, bis er aus den Ohren dampfte. Dann legten sie ihn ins Heu und ließen ihn schlafen.
Nachdem sie gemeinsam seine Kleider ausgewaschen und vor dem Feuer zum Trocknen aufgehängt hatten, legten sie sich rechts und links von ihm ins Heu und deckten ihn mit der rosa Steppdecke zu. Zufrieden lauschten sie seinem Geschnarche.
Am nächsten Morgen wachte der Feuerwehrmann putzmunter auf und gähnte herzhaft. Er sah nichts als Heu und wunderte sich. Er tastete um sich und griff dem Räuber, der noch neben ihm schlief, aus Versehen in den offenen Mund. Grapsch grunzte unwillig. Da erinnerte sich der Feuerwehrmann mit einem Schrei, wo er war, und hob die Hände.
„Nur keine Panik!", rief Olli von der Feuerstelle herüber. „Das Frühstück ist gleich fertig. Und Musik haben wir auch." Sie stellte das Kofferradio an. An diesem Tag würde die Polizei ganz bestimmt nicht schon wieder in den Wald kommen. Aber das Radio blieb stumm. Olli schüttelte es und beschimpfte es. „Das werden wir gleich haben", sagte der Feuerwehrmann, der ein Hobby-Radiobastler war. Über Radios vergaß er alles. Splitternackt sprang er aus dem Heu und machte sich über das Radio her. „Mäuse", sagte er nach zwei Minuten. „Alle Kabel durchgenagt. Ich nehm's mit. Ich reparier's Ihnen."
Sie ließen ihn seine trockenen Kleider anziehen, gaben ihm einen heißen Kaffee und den Rest der Pfannkuchen und zeigten ihm den Weg bis zum Waldrand. Dort wünschten sie ihm eine gute Heimkehr.
„Nein so was", sagte der Feuerwehrmann beim Abschied, „ich hab nie geahnt, dass Sie, Herr Grapsch, und Ihre verehrte Frau Gemahlin so freundliche Leute sind -"
„Na siehst du", sagte Olli, als der Mann hinter der nächsten Wegbiegung verschwunden war und sie wieder auf Grapschs Schultern saß, „wie ich dich schon geändert habe!"
Sie trommelte vergnügt mit ihren kleinen Füßen auf seine Brust. Der Räuber antwortete nicht. Stumm trabte er heimwärts. „Warum bist du so still?", fragte Olli.
„Weil ich müde bin", antwortete er mürrisch. „In meinem ganzen Leben hab ich nicht so viel reden und nachdenken müssen wie in den letzten vier Tagen. Reden und denken - was Anstrengenderes als das gibt es nicht."
Plötzlich blieb er stehen und brummte: „Teufel noch mal! Jetzt wissen die, dass ich in einer Höhle wohne und wo sie liegt. Das hat man von so einer albernen Freundlichkeit!"
Als er einen Tag später, nach der Mittagszeit, mit einem geraubten Gänsebraten im Sack und Pommes frites in der einen Hosentasche, grünem Salat in der anderen, aus Juclcenau zurückkehrte und an den Waldrand kam, sah er etwas Metallenes zwischen dem Farn blinken. Es war das Kofferradio. Ein Zettel hing daran:
Am Abend trug Grapsch die Ofentür wieder an den Sumpf. Olli nahm das Kofferradio vom Haken an der Höhlendecke, wo es jetzt hing. Sie kuschelten sich auf der Ofentür aneinander. Beide waren sehr satt.
„Jetzt tun mir nur die Leute Leid, denen du die Gans weggenommen hast", sagte Olli.
„Es war eine goldene Hochzeit", sagte er. „Es standen noch drei Braten auf dem Tisch."
„Na ja", sagte Olli, „sie sind sicher trotzdem alle satt geworden. Nur werden keine Reste übrig geblieben sein." Sie schaltete das Radio ein. Eine Band rockte. Sie stellte es auf leise. Aber nach einer Weile stellte sie es ganz ab. „Da hört man ja die Vögel und Frösche nicht mehr", sagte sie. „Still ist es hier viel schöner."
„Siehst du?", grinste er. „Wie ich dich schon geändert habe!" Sie lachte. Er aber wurde ernst. Er räusperte sich umständlich und sagte: „Ich hab dir doch was verheimlicht, Olli. Nämlich, dass es hier im Winter kaum auszuhalten ist für einen, der das nicht gewöhnt ist. Du wirst Frostbeulen bekommen. Da - schau meine an! Willst du nicht doch lieber heimkehren nach Juckendorf?"
„Nein", antwortete Olli. „Ich bleibe hier. Wenn du mit den Frostbeulen leben kannst, kann ich's auch."
Da nahm er ganz behutsam ihre Hand in seine Hand. So blieben sie sitzen, bis der Mond versunken war und ihre Hintern kalt wurden.
Z weites B uch
Ein wilder Winter für Räuber Grapsch
Raubzug in der Nacht
„Was soll ich heute rauben?", fragte Räuber Grapsch seine Frau, als er spät am Abend mit seinem Sack aus der Höhle stapfte. „Ein Paket Waschpulver, eine Tube Zahnpasta, ein Glas Senf, fünf Stricknadeln Nummer
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