Das große Buch vom Räuber Grapsch
qualmte es nur noch aus einem Haufen Asche. Die Feuerwehrleute rollten die Schläuche wieder ein. Plötzlich beugte sich ein Gesicht unter einem Feuerwehrhelm zur Gefängnisluke hinunter, ein freundliches Männergesicht. „Erkennen Sie mich denn nicht mehr, Herr Grapsch?", fragte der Feuerwehrmann. „Sie haben mir im Sommer dort draußen im Wald das Leben gerettet, und ich hab Ihnen danach das Kofferradio repariert."
„Ach, du bist's!", rief Grapsch überrascht.
„Mir hat's ehrlich Leid getan, dass Sie sich haben erwischen lassen", sagte der Feuerwehrmann. „So ein Hundeleben in diesem Kellerloch haben Sie nicht verdient. Wo Sie doch so nett zu mir waren. Und wie geht's Ihrer verehrten Frau Gemahlin?"
„Schlecht", seufzte Tassilo. „Sie ist ganz allein im Wald, seit sie mich geschnappt haben. Vielleicht ist sie auch schon tot. Verhungert. Erfroren."
„Um Gottes willen!", rief der Feuerwehrmann erschrocken. „Es muss sich doch jemand um sie kümmern! Noch heute werde ich zu ihr hinausgehen. Jetzt sofort. Aber wie komme ich bis zu ihr? Die Sümpfe sind doch dazwischen!"
Grapsch wurde ganz aufgeregt. Er winkte den Kopf des Feuerwehrmanns zu sich heran und flüsterte: „Um diese Zeit sind sie zugefroren. Man kann ruhig drüberspazieren. Aber das muss ein Geheimnis bleiben. Geh gradaus in den Wald hinein, dann an der großen Eiche rechts. Sobald du über den Sumpf bist, rufst du. Sie wird dir antworten, wenn sie noch lebt. Dann weißt du, wo die Höhle ist. Sag ihr, dass ich immerzu an sie denke. Sag ihr, ich käme bald. Sag ihr Aber da war der Feuerwehrmann schon weg vom Fenster. Der Spritzenwagen hupte, der Feuerwehrmann sprang auf, winkte und fuhr davon.
Und kaum stand die Spritze wieder im Feuerwehrschuppen, lief der Feuerwehrmann heim, zog die Uniform aus, wusch sich den Ruß ab, packte den Rucksack voll Essen, schlüpfte in Anorak und warme Stiefel, zog sich eine Wollmütze über die Ohren und stapfte los.
Er stapfte drei Stunden durch hohen Schnee, an verschneiten Blau-beersträuchern, an der großen Eiche vorbei, und zuletzt schlitterte er über den vereisten Sumpf.
Da stand er nun vor dichtem Brombeergebüsch, in dem die Grapsch'schen Bartbüschel hingen. Bevor er rufen konnte, hörte er eine Stimme, die jämmerlich stöhnte.
„Frau Grapsch", rief der Feuerwehrmann, „sind Sie's? Ich komme! Haben Sie nur keine Angst, ich bin der Feuerwehrmann vom vergangenen Sommer - der aus dem Sumpf!"
Er musste eine Weile suchen, bis er einen Durchschlupf durch das Brombeerdickicht fand. Und dann stolperte er auch schon in die Höhle hinein, in der eine einzige Kerze flackerte. Da lag Olli blass und mager mit zerrauftem Haar im Laub und wand sich. „Was machen Sie denn für Sachen, Frau Grapsch?", fragte der Feuerwehrmann. „Haben Sie Bauchweh?"
„Ich krieg ein Kind", ächzte sie, „und es will und will nicht rauskommen."
„Das werden wir gleich haben", sagte er entschlossen, warf den Rucksack weg, zog den Anorak aus und krempelte die Ärmel hoch. „Aber verstehen Sie denn was vom Kinderkriegen?", fragte Olli matt.
„Ein echter Feuerwehrmann weiß in jeder Not zu helfen", sagte er. „Außerdem bin ich auf einem Bauernhof groß geworden. Ich war immer dabei, wenn die Kühe gekalbt haben." Und schon machte er sich an die Arbeit. „Ihr Herr Gemahl lässt Sie herzlich grüßen", sagte er. „Hauruck! Das Köpfchen haben wir schon draußen. Ein richtiger Dickkopf."
„Ach Tassilo", schluchzte Olli. „Wie geht's ihm denn? Hat er genug zu essen? Hat er's warm?"
„Warm hat er's. Dass das Essen nicht so gut ist, wie's sein müsste, merkt er nicht. Denn er denkt immerzu an Sie. Hoppla, da sind ja auch die Ärmchen - mit allem Drum und Dran."
„Haben ihn die Polizisten arg gequält?", stöhnte Olli. „Das macht ihm alles nichts aus", sagte er. „So ein Riese, der hält noch mehr aus. Er kommt bald, lässt er Ihnen sagen. Hokus, pokus, malokus - da ist es: ein Mädchen. Und was für eins!" Er hielt ein winziges, rosiges Baby an den Beinchen hoch und ließ es über Ollis Gesicht baumeln. Als er ihm einen Klaps auf den Po gab, fing es an zu brüllen, bis es einen ganz roten Kopf bekam. Er nabelte es mit einem grünen Wollfaden ab und legte es Olli in die Arme.
„Sie hat seine Ohren", flüsterte sie glücklich. „Und jetzt Wasser marsch!", rief der Feuerwehrmann, schippte den Suppenkessel voll Schnee und schürte das Feuer darunter an. Sobald das Wasser warm war, badete er das Kind im
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