Das große Buch vom Räuber Grapsch
stolperte in die Höhle, verkroch sich im Laub und zog den Pelzmantel über die Ohren.
Kettet ihn an den Schneepflug!
Grapsch hatte es am Heiligen Abend besser. Seine Zelle war trocken und warm.
Der Polizeihauptmann Stolzenrück, der um die Weihnachtszeit ein weiches Herz hatte, ließ ihn fragen, was er sich für ein Weihnachtsessen wünsche.
„Einen halben gebratenen Hirsch", antwortete der Räuber, ohne zu überlegen. „Mit Semmelknödeln und Salat. Und zum Nachtisch eine Torte."
Das fand der Polizeihauptmann denn doch zu unverschämt, und er bewilligte nur einen Kaninchenbraten und einen Marmorkuchen. Aber so wenig das für Grapsch auch war, es bewirkte doch, dass er gleich nach dem Essen die Gitterstäbe seines Fensters auseinander biegen konnte.
Allerdings war das Fenster zu klein, um hinauszuklettern. So kam er auf die Idee, die Decke hochzustemmen. Mit der Decke kam auch das Dach ins Rutschen. Es gab ein Höllengetöse. Als drei Polizisten in die Zelle gestürzt kamen, war Grapsch gerade dabei, über Balken und Trümmer hinauszuklettern.
Natürlich gab es Großalarm. Grapsch wurde an den Beinen heruntergezogen, und in aller Eile wurden Decke und Dach wieder in Ordnung gebracht. Für Grapsch gab es zur Strafe nur noch Wasser und Brot. „Wir werden Sie schon kleinkriegen, Sie ... Sie ...!", drohte der Polizeihauptmann Sieghelm Stolzenrück. „Darauf kannste lange warten", gab Grapsch zur Antwort.
Woche um Woche verging. Der Räuber schritt hin und her, hin und her und dachte an seine Olli. Draußen lag Schnee. Vor den Gitterstäben hingen lange Eiszapfen.
„Hätt ich nur einen Hirschbraten bekommen", seufzte er, „wär ich längst über alle Berge."
Ende Januar schneite es ununterbrochen drei Tage und vier Nächte, und über dem Juckener Ländchen tobte ein mächtiger Schneesturm. Als er aufhörte, mussten sich die Juckener aus ihren Häusern schaufeln. In den Straßen türmte sich der Schnee so hoch, dass die geparkten Wagen und die Schaufenster nicht mehr zu sehen waren. Die Schule fiel aus. In der Sparschweinfabrik Fleiß & Preis AG wurde nicht gearbeitet, in den Läden konnte nichts verkauft werden. Der Bürgermeister wollte die Straßen mit dem Schneepflug räumen lassen. Aber der Motor sprang nicht an. So mussten alle Männer zu schaufeln anfangen. Aber sie kamen viel zu langsam voran. Und es war klirrend kalt und wurde noch kälter.
„Wenn wir so weitermachen, haben wir die Straßen in einer Woche nicht frei", sagte der Bürgermeister zum Polizeihauptmann. „Wissen Sie einen Rat?"
Stolzenrück wusste keinen. Er lief heim und fragte seine Frau. „Lasst den Grapsch euren verrosteten Schneepflug ziehen", sagte sie. „Denn der ist so stark wie ein Dutzend von euch."
„Dieser Rat taugt nichts", schnaubte Stolzenrück. „Der Grapsch rennt uns doch weg."
„Kettet ihn an den Schneepflug", meinte seine Frau. „Mit dem breiten Ding kommt er höchstens bis an den Waldrand." Der Polizeihauptmann besprach sich mit dem Bürgermeister. Der war von der Idee begeistert. „Dann hätten wir endlich was von diesem Kerl", sagte er.
Stolzenrück quälte sich durch den Schnee bis zur Polizeiwache. Dort ließ er sich Grapschs Zelle aufschließen. Die war stockdunkel, denn vor dem Fenster lag Schnee. „Machen Sie sich bereit, Grapsch", knurrte er. „Jetzt wird gearbeitet."
„Nichts gegen Arbeit", antwortete Grapsch gelassen, „aber keine Arbeit ohne Essen. Schafft erst mal was ran. Und meine Stiefel brauch ich natürlich auch."
Befehle hallten. In alle Richtungen flitzten Polizisten davon, um die Stiefel und Essen herbeizuholen.
„Ich geb dir noch einen Rat dazu", sagte Frau Stolzenrück zu ihrem Mann. „Reicht ihm erst das Essen, wenn ihr ihn fest am Schneepflug habt. Sonst bricht er euch aus, sobald er was im Magen hat." So ließ der Polizeihauptmann den Räuber erst an den Schneepflug ketten, bevor er ihm das Essen so nahe hinschob, dass er es erreichen konnte. Im Handumdrehen vertilgte Grapsch ein paar Span-ferlcel, eine riesige Schüssel voll Kartoffelsalat, einen mächtigen Schweizer Käse und eine Torte. Danach zog er, in die ungewohnte Helligkeit blinzelnd, den Schneepflug durch die Straßen, dass der Schnee stäubte und die schaufelnden Männer zur Seite springen mussten. Seine Stirnadern schwollen an, seine Muskeln wölbten sich. Hinter ihm war die Straße schneefrei und befahrbar. „Wirklich eine prächtige Idee", sagte der Bürgermeister zum Polizeihauptmann, der vor Stolz fast
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