Das große Buch vom Räuber Grapsch
durchsichtig geworden. Nur Ollis Bauch wölbte sich rund und schön.
„Wie hast du das gemacht?", fragte Grapsch seine Frau verwundert. „Hast du im Schlaf Heu gefuttert?"
Olli schüttelte den Kopf und lachte: „Wollten wir nicht alle unsere zwölf Stühle voll machen, du mein gutzigutes Meerschweinchen ?" Bei diesem Wort stutzten plötzlich beide und schauten sich um. Die Meerschweinchen - wo waren sie ?
Quarka aber hatte sie schon längst entdeckt, die Scharen von Meerschweinchen, die sich rundherum an die Wand drückten und nicht zu rühren wagten: schwarze, weiße, gefleckte. Erst nach einer Weile hoben sie wieder ihre Näschen und schnupperten sich hin zum Heurest, um weiterzufressen.
Olli zählte. „Vierundsechzig", sagte sie. „Ein Glück, dass wir rechtzeitig aufgewacht sind, sonst hätten sie nicht nur das ganze Heu, sondern auch noch uns verspeist. Und was verspeisen wir} Im ganzen Haus gibt es kein Tüttelchen Essbares mehr!"
„Still!", rief Grapsch mit runden Augen. „Ruft da nicht jemand?" Sie lauschten. Wirklich, jemand rief aus der Ferne. Grapsch rutschte hinunter und stürzte hinaus.
Max winkte von der anderen Seite des Sumpfes herüber. Grapsch jodelte vor lauter Freude und schwankte zu ihm hinüber. Aber Max erkannte ihn erst, als er sich ihm bis auf zwei Schritte genähert hatte.
„Nicht zu fassen, Tassilo!", rief er erschüttert. „Bist du das wirklich? Du wirfst ja kaum mehr einen Schatten! Da bin ich ja gerade noch rechtzeitig gekommen ..."
Aber auch Max hatte sich wundersam verändert: Sein Brustkasten wölbte sich wie bei Superman, und seine Muskeln sprengten fast die Jacke. Er war mit einem großen Sack voll Mehl, Wurst, Brot, Speck, Kartoffeln, Butter, Eier, Bohnen, Kaffee und Zucker gekommen. Wie hatte er ihn allein schleppen können? „Lass nur", sagte er, als sich Grapsch den Sack auf die Schulter wuchten wollte, aber seine Schwierigkeiten damit hatte, weil er so mager geworden war, „den trag ich selber." Kaum waren sie über den Sumpf zurückgekehrt, begann es im Räuberhaus nach Pfannkuchen zu duften. Olli deckte den Tisch für fünf.
„Jetzt bist du unser Lebensretter, Max", sagte Grapsch gerührt. „Setz dich und greif zu!"
Alle griffen zu, und zwar heftig. Olli kam mit dem Backen kaum nach. Bald waren die Kinder nicht mehr durchsichtig, und Grapsch ging wieder in die Breite. Olli kaute über der Pfanne. „Du hast mir am Nikolausabend einen schönen Ärger eingebrockt", sagte Max. „Ich hab den ganzen Winter dazu gebraucht, ihn runterzuschlucken."
„Hab ich mir schon gedacht", seufzte Grapsch zerknirscht. „Hinterher ist mir das eingefallen. Hat mir aufs Herz gedrückt, ehrlich."
„Schon vergessen", sagte Max und rülpste herzhaft. Und dann erkundigte er sich nach den Meerschweinchen. Er war nicht überrascht, als er erfuhr, wie sehr sie sich vermehrt hatten. „Was macht man bloß mit einem Dachboden voller Meerschweinchen?", sagte Olli kummervoll.
„Melken", sagte Max ruhig. „Ob ihr's glaubt oder nicht: Es geht! Natürlich nur bei den Weibchen. Meerschweinchenmilch ist un-glaublich nahrhaft. Ich hab sie an mir selbst ausprobiert. Nur ein Achtelliterchen täglich von Januar bis jetzt, und seht euch das an!" Er krempelte seinen Ärmel hoch, machte eine Faust und ließ seinen Bizeps spielen.
Grapsch war sprachlos. Olli aber fasste sich schneller und rief: „Schön und gut - aber man braucht doch Stunden, bis man diesen winzigen Viechern ein paar Tropfen abgezapft hat ...!" Jetzt zeigte sich, dass Max, der Umsichtige, auch daran gedacht hatte. Vorsichtig zog er aus der Innentasche seiner Jacke ein Mellc-maschinchen, nicht größer als eine Schulbrotbüchse, mit Schläuchlein und Pipetten.
„Das hab ich aus einem Radiowecker und einem Taschenrechner zusammengebastelt", erklärte er stolz. „Batteriebetrieb. Mit Musik ! Es lässt immer noch so viel Milch drin, dass die Meerschwein-chenkinder nicht zu kurz kommen. Man hat's schnell im Griff, wie's funktioniert."
Zusammen mit Grapsch baute er nach dem Pfannkuchenmahl hinter dem Haus einen viereckigen, dichten Zaun. Dann holten sie alle vierundsechzig Meerschweinchen vom Dachboden herunter -nein, es waren inzwischen schon Sechsundsechzig! - und taten sie da hinein. Olli setzte ihre Kinder gleich dazu. „Das ist ja ein wundervolles Laufgitter!", jubilierte sie. „So können sie mir nicht in den Sumpf fallen!"
Sie ließ sich zeigen, wie man das Apparätchen bedienen musste, und Max bestätigte ihr
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