Das große Buch vom Räuber Grapsch
nicht schadenfroh ? Nicht wild aufs Geld aus ? Das muss euch ausgetrieben werden, ihr großen Juckenauer, ihr Heuchelfritzen! Und das tu ich jetzt - damit ihr auch mal ein bisschen Angst kriegt, ihr aufgeblasenen Ochsenfrösche!"
Mit einem mächtigen Satz sprang er von der Bühne in den Saal. Dabei flatterte der rote Mantel hoch, und seine Stiefel wurden sichtbar.
Seine Stiefel ? Polizeihauptmann Stolzenrück erkannte sie: Es waren die Polizeihauptmannstiefel, die Grapsch ihm geraubt hatte! „Alaaaarm!", schrie er. „Höchste Alaaaarmstufe! Räuber Grapsch ist im Saal - rette sich, wer kann!"
Jetzt sprang der Bürgermeister hinter das Pult auf der Bühne, fuchtelte mit den Armen und krähte: „Ruhe ist die erste Bürgerpflicht! Kein Grund zur Beunruhigung - die Stadtverwaltung hat alles im Griff!"
Aber niemand hörte auf ihn, denn schon drosch Grapsch mit der Nikolausrute auf die herausgeputzten Damen und Herren ein, dass es nur so pfiff.
Das gab ein Gequietsche und Geschimpfe! Teure Frisuren lösten sich auf, Hüte rollten, Handtäschchen kamen abhanden, Schuhe blieben zurück. Alle drängten dem Ausgang zu, Große wie Kleine, auch die Chöre und die Polizei-Blaskapelle. Nicht einmal Anton Specht wagte Grapsch aufzuhalten, sondern rannte mit den anderen davon. Viele sprangen durch die Fenster in den hohen Schnee, wo sie zum Glück weich landeten. Ein paar Polizisten versuchten, Grapsch zu überwältigen. Er warf sie allesamt durch die Fenster den anderen nach.
Dann, mitten im Angst- und Wehgeschrei der Großen, hörte er einen kleinen Jungen rufen: „Lieber Räuber Grapsch, der dort ist mein Lehrer!"
Grapsch langte sich den, auf den der Kleine zeigte, und warf ihn den Polizisten hinterher.
Der Saal leerte sich in Windeseile. Bald stand Grapsch allein in dem großen Raum. Auch Max war verschwunden. Auch alle Kinder hatten sich aus dem Staub gemacht. Nur die zwei Engelchen standen noch auf der Bühne und schluchzten.
„Da gibt's nichts zu flennen, ihr Kullerköpfchen", knurrte Grapsch. „Das war nur eine kleine Weihnachtserfrischung für die Großen. Mal was anderes."
Er ließ die beiden ihre Nachthemden aufhalten und schüttete ihnen Gebäck hinein. „Besucht mich mal im Wald", sagte er. „Da könnt ihr mit Quarka und Lisbeth an der Stange rutschen." Aber die Engelchen machten, dass sie davonkamen.
Grapsch schaute sich um und räusperte sich. Das klang wie Donnergrollen in dem leeren Saal. Schuhe lagen herum, gerissene Halsketten, umgeworfene Stühle. Auch eine verbeulte Trompete, drei Brillen, einen Walkman und ein Gebiss entdeckte Grapsch auf dem Parkett.
„He", röhrte er, dass es über das Städtchen bis in den Wald schallte, „wo bleibt mein Fünfziger ? Ich hab hart gearbeitet. Ich hab ihn mir ehrlich verdient!" Aber niemand antwortete. Nur das Echo seiner Stimme hallte von den Saalwänden wider.
„Also gut", knurrte er, „da nehm ich eben den Sack als Lohn mit. Es ist ein guter Sack, ein prima Räubersack, den kann ich brauchen. Und über das, was drin ist, wird sich Olli freuen." Er schälte sich aus dem Mantel und schleuderte ihn weg, warf Mütze und Rute hinterher, schulterte den riesigen Sack und stampfte durch den Saal davon. Die Trompete, die Brillen und das Gebiss hob er auf: zum Spielen für Quarka und Lisbeth.
Er stapfte heimwärts durch den tiefen Schnee, quer durch die Stadt. Hinter den Gardinen drängten sich die Juckenauer und beobachteten ihn mit Schaudern. Aber niemand wagte sich ihm in den Weg zu stellen.
Meerschweinchen machen ' s möglich oder: Schock im Möhrenwald
Vom Inhalt des riesigen Sackes ernährten sich die Grapsche bis Ende Januar. Und dann, als alles weggefuttert war, auch die kleinsten Krümel in den Sacknähten, kam Tassilo Grapsch auf eine einmalige Idee, auf die ihn die Igel gebracht hatten: Er kletterte mit Olli und den Kindern auf den Dachboden, wühlte sich mit ihnen tief ins Heu, rollte sich um die Seinen - und dann fielen alle in einen tiefen Winterschlaf. Alle außer den Meerschweinchen. Erst im März wachten die Grapsche wieder auf, die Nasenlöcher voll Heustaub. Sie wachten auf, weil sie jämmerlich froren. Denn es war fast kein Heu mehr da. Außerdem war da so ein merkwürdiges Gewiesel um sie herum und über sie drüber gewesen. Sie erhoben sich, klopften sich das Heu aus den Kleidern und sahen einander verblüfft an. Wie hatten sie sich verändert! Während des Winterschlafs war Grapsch erbärmlich abgemagert. Und die Kinder waren ganz
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