Das große Doppelspiel
nickte. »Er
befahl mir, so weiterzuma chen, als ob nichts geschehen wäre.
Sie haben sogar die Frau in Romney Marsh in Ruhe gelassen.«
»Wie heißt sie?«
»Fitzgerald. Ruth Fitzgerald. Sie ist Witwe. Sie
war mit ei nem Arzt aus Irland verheiratet, aber sie stammt aus
Südafrika. Haßt die Engländer.«
Craig stand auf und ging zur anderen Seite des
Tisches. »Und Anne-Marie Trevaunce? Was ist da die
Wahrheit?« Baum blickte gehetzt von einer Seite zur anderen, und
Craig nahm ein altmodisches schweres Lineal aus Mahagoni vom Tisch und
drehte sich um. »Zuerst die rechte Hand, Baum. Ein Finger nach
dem anderen. Sehr unangenehm.«
»Um Himmels willen, es war nicht meine
Schuld«, sagte Baum. »Ich habe ihr nur die Spritze gegeben.
Ich habe getan, was Munro gesagt hat.«
Craig erstarrte. »Und was für eine Spritze war das?«
»Eine Art Wahrheitsdroge. Eine Neuentwicklung,
die sie an jedem Agenten ausprobieren wollten, der von einem Einsatz
zurückkam. Sehr nützlich, wenn sie funktioniert.«
»Und bei ihr tat sie es nicht?« sagte Craig grimmig.
Baums Stimme war fast ein Flüstern. »Eine
seltene Neben wirkung. Der Gehirnschaden ist irreversibel. Das
einzig Gute ist, daß sie praktisch jeden Moment sterben
kann.«
»Gibt es noch was?«
»Ja«, sagte Baum heftig. »Ich habe
den Befehl bekommen, die Tarnung von Miss Trevaunce auffliegen zu
lassen.«
Craig starrte ihn an. »Das hat Munro Ihnen befohlen?«
»Ja. Ich habe Ruth Fitzgerald vor drei Tagen
benachrichtigt und ihr gesagt, sie solle den Funkspruch absetzen, der
Gene viève auffliegen läßt.« Die Tür
hinter Craig wurde leise geöff net, aber Baum sah es nicht.
»Er will, daß sie den Nazis in die Hände fällt,
Major. Ich weiß nicht, warum, aber er will, daß sie sie
kriegen.«
»Oh, mein Gott, wenn die Leute doch bloß
nicht soviel quat schen würden«, sagte Dougal Munro.
Craig drehte sich um und sah den Brigadegeneral, die
Hände in den Taschen seines alten Kavalleriemantels, im Zimmer
stehen. Jack Carter stützte sich neben ihm auf seinen Stock und
zielte mit einer Browning auf Craig.
»Sie Schwein«, sagte Craig.
»Dann und wann müssen wir nun mal jemanden
opfern, mein Lieber. Es war Pech, daß es diesmal auf
Geneviève Tre vaunce fiel.«
»Aber warum?« sagte Craig. »Die Atlantikwall-Konferenz. Rommel. Ist das alles erfunden?«
»Keineswegs, aber Sie glauben doch
nicht im Ernst, daß eine Dilettantin wie unsere Geneviève
irgendeine Chance hätte, an so brisante Informationen
heranzukommen. Nein, Craig. Un ternehmen Overlord kommt bald.
Invasion und Täuschung, das ist der Name des Spiels. Die Deutschen
müssen unbedingt glauben, daß wir an einer Stelle landen
werden, wo wir nicht landen werden. Patton befehligt eine nicht
vorhandene Armee in East Anglia, deren augenscheinliche Aufgabe es ist,
im Ge biet des Pas-de-Calais an Land zu gehen. Verschiedene andere
kleine Projekte werden das bekräftigen.«
»Ach?« sagte Craig.
»Und dann hatte ich einen Einfall, der mich dazu
bewog, Anne-Marie rüberkommen zu lassen. Als Geneviève an
ihre Stelle treten mußte, behielten wir den ursprünglichen
Plan bei. Ich habe dafür gesorgt, daß sie in Cold Harbour
zufällig eine Karte auf meinem Schreibtisch sah. Sie zeigte das
Gebiet des Pas-de-Calais und hatte die Legende Vorläufige Ziele
– Invasi ons Das Geniale an diesem kleinen Manöver ist,
daß sie keine Ahnung hat, wie wichtig diese Information ist. Wenn
die Nazis sie aus ihr herauskitzeln, was sie garantiert tun werden,
wird es um so authentischer erscheinen. Im Augenblick hat sie
natür lich noch nichts zu befürchten. Dieser Priem wird
vorläufig nichts unternehmen. Er wartet ab, was sie tut. Das
würde ich jedenfalls an seiner Stelle machen. Sie kann
schließlich nir gendwohin fliehen.«
Craig sagte: »Und das gleiche hatten Sie mit
Anne-Marie vor? Sie hätten auch sie ans Messer geliefert?«
Sein Gesicht war wutverzerrt. Er trat einen Schritt
auf den Brigadegeneral zu, und Carter hob die Browning. »Bleiben
Sie, wo Sie sind, Craig.«
Craig sagte zu Munro: »Sie würden alles
tun, um Ihr Ziel zu erreichen, nicht wahr? Sie haben viel mit der
Gestapo gemein sam.«
»Wir sind im Krieg. Opfer sind
manchmal notwendig. Sie haben neulich Obergruppenführer Diederichs
ermordet. Sie haben vorher gewußt, daß es das Leben
Unschuldiger kosten würde, aber Sie haben es trotzdem getan. Wie
viele haben dran glauben müssen? Zwanzig Geiseln?«
»Um noch mehr Leben
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