Das große Doppelspiel
kaum aus.«
»Diese Waschlappen«, sagte er. »Geben sie weg wie Konfet ti.«
Es war halb neun, als Craig die Pforte des Hauses am
Haston Place öffnete und auf den Klingelknopf für die Wohnung
im Souterrain drückte. »Ich bin’s, Craig«, sagte er,
als es in der Sprechanlage zu knistern begann.
Die Tür wurde geöffnet, und er ging durch
die Eingangsdiele zu der Treppe, die ins Untergeschoß
führte. Carter stand unten.
»Na, wie ist es beim OSS gelaufen?«
»Sie haben mich fast den ganzen Tag beschäftigt.«
»Kommen Sie.« Carter drehte sich um und ging in die Woh nung, und Craig folgte ihm.
»Einen Drink?« fragte Carter.
»Nein, danke. Ich werde nur eine Zigarette
rauchen, wenn es Ihnen nichts ausmacht.« Er zündete sich
eine an. »Vielen Dank, daß Sie Baum für mich angerufen
haben.«
»Dann haben Sie ihn gesehen?« Carter schenkte sich einen Scotch ein.
»Ja, aber nicht in der Klinik. Ich hab’ ihn im
Pub an der Ek ke gefunden. Er scheint neuerdings mehr zu trinken,
als gut für ihn ist.«
Carter sagte: »Das habe ich nicht gewußt.«
»Es fing offenbar vor einem halben Jahr an, als
er von den Freunden Israels erfuhr, daß seine Tochter umgekommen
war – die Deutschen müssen irgendwas Schreckliches mit ihr
ge macht haben.«
»Nun, ich glaube, dann würde ich auch
anfangen zu trin ken«, sagte Carter, ohne zu überlegen.
»Allerdings stimmt dabei eines
nicht«, fuhr Craig fort. »So viel ich weiß, ist
Baum kurz vor dem Krieg mit knapper Not aus Österreich
rausgekommen, nachdem die Nazis seine Toch ter umbrachten. Munro
hat es mir in Cold Harbour erzählt, als wir abends einen getrunken
haben. Ich wollte wissen, was in der Rosedene-Klinik so läuft,
weil ich selbst dort gelegen hatte, und dann war da natürlich
Anne-Marie.«
»Ja?« sagte Carter nur.
»Munro hat mir erzählt, daß Baum dem
Nachrichtendienst seine Dienste angeboten habe. Sie nahmen ihn
gründlich unter die Lupe und kamen zu dem Ergebnis, er tauge nicht
für Au ßeneinsätze.«
»Ja, der Meinung bin ich auch«, sagte Carter.
»Was ist nun wahr und was nicht? Ist seine
Tochter neun unddreißig gestorben oder erst vor einem halben
Jahr?« fragte Craig.
»Hören Sie, Craig, an dieser Geschichte ist weit mehr, als Sie wissen.«
»Erzählen Sie es mir«, sagte Craig.
»Nein, lassen Sie mich raten. Wie wär’s damit: Die Nazis
bemächtigen sich der Toch ter und sagen dem Vater, wenn er
wolle, daß sie am Leben bleibt, müsse er nach England gehen
und dem britischen Nach richtendienst seine Dienste anbieten und
in Wahrheit für sie arbeiten?«
»Sie haben zu viele Spionagegeschichten gelesen«, bemerkte Carter.
»Und dann geht etwas schief. Das Mädchen
stirbt in einem Lager. Baums Arbeitgeber sagen es ihm nicht, aber der
jüdi sche Untergrund tut es. Baum, an sich ein
anständiger Mann, hat das alles nur gemacht, damit seine Tochter
am Leben bleibt, und nun will er sich rächen.«
»Und wie sollte er das anstellen?«
»Indem er zu Munro geht und alles beichtet. Er wird natür
lich nicht bestraft. Er ist zu wertvoll als Doppelagent.«
Carter sagte nichts, und Craig schüttelte den Kopf.
»Aber da ist noch mehr. Anne-Marie und
Geneviève. Mehr, als man auf den ersten Blick sieht. Was ist es,
Jack?«
Carter seufzte, ging zur Tür und öffnete
sie. »Mein lieber Craig, Sie sind überarbeitet. Sie haben in
letzter Zeit zuviel erlebt. Nehmen Sie die Wohnung im Erdgeschoß.
Schlafen Sie sich richtig aus. Morgen früh werden Sie sich besser
fühlen.«
»Sie sind ein netter Mensch, Jack, ein
anständiger Mensch. Genau wie Baum.« Craig schüttelte
den Kopf. »Aber der da oben macht mir Sorgen. Er glaubt wirklich,
daß der Zweck die Mittel heiligt.«
»Sie denn nicht?« fragte Carter.
»Auf keinen Fall. Dann wären wir
nämlich genauso schlimm wie die Leute, gegen die wir kämpfen.
Gute Nacht, Jack.«
Er ging nach oben, und Carter nahm den Hörer des
Haustele fons neben der Tür ab und rief Munro in seiner
Wohnung an. »General, ich glaube, es ist besser, wenn ich kurz
mit Ihnen spreche. Craig Osbourne ist da einer Sache auf die Spur
ge kommen. Der Baum-Affäre. Ja. Ich komme sofort.«
Die Tür stand einen Spalt weit offen. Craig hatte
oben in der Diele alles gehört. Als Carter nun die Treppe
heraufkam, ging er auf Zehenspitzen zur Haustür und verließ
leise das Haus.
Draußen regnete es heftig, und es
war kurz nach zehn, als Craig wieder bei der Klinik in Hampstead war.
Er wartete
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