Das große Doppelspiel
wesentlichen das, was
Baum Craig Osbourne erzählt hatte – obgleich sie es nicht
wissen konnte. Die Wahrheit, die Fakten über ihre Schwester, den
Arzt, die angebliche Rehabilitationsklinik und Munro.
Als er ausgeredet hatte, saß sie da und
umklammerte die Lehne ihres Sessels, und dann griff sie nach dem
Zigarettenetui und nahm eine Gitane heraus. Erstaunlich, wie sehr die
ver dammten Glimmstengel halfen. Sie trat an eine der
Doppeltü ren, öffnete sie und blickte hinaus in den
Regen. Priem folgte ihr.
Sie drehte sich um und sah ihn an. »Warum sollte
ich Ihnen glauben? Wie können Sie all das wissen?«
»Die Briten arbeiten mit Doppelagenten, und wir
tun das gleiche. Das große Doppelspiel, das wir spielen. Als der
jüdi sche Untergrund Baum sagte, daß seine Tochter tot
sei, ging er wie gesagt zu Munro. Um die Verbindung zwischen ihm und
uns nicht zu unterbrechen, konnten sie es sich nicht leisten, diese
Mrs. Fitzgerald, seinen Kontakt, aus dem Verkehr zu ziehen. Sie
stellten sie ebenfalls vor eine Alternative entweder als Doppelagentin
zu arbeiten oder im Tower hingerichtet zu werden. Sie wählte
natürlich die vernünftige Lösung, jedenfalls allem
Anschein nach.«
»Allem Anschein nach?«
»Mrs. Fitzgerald ist eine burische
Südafrikanerin und mag die Engländer nicht. Ihr Mann war Ire
und hatte die Briten noch mehr verabscheut und 1921 unter Michael
Collins bei der IRA gedient. Sie tat, was Munro wollte, das stimmt,
aber der gute General hatte keine Ahnung, daß sie Kontakte bei
der IRA in London hatte, die uns mehr als wohlgesonnen ist. Sie teilte
uns vor Monaten über die IRA-Leute mit, daß Baum
überge laufen sei, und deshalb sind wir uns darüber
klar, daß er jetzt wirklich für die andere Seite
arbeitet. Er sagt uns nur, was sie ihm auftragen, und das bedeutet in
diesem Fall, daß sie uns über Ihre wahre Identität
informieren wollten. Informationen, die er uns nicht lieferte, gab Mrs.
Fitzgerald an unsere Freunde von der IRA weiter.«
»Was für ein Unsinn«, sagte
Geneviève, aber sie begann frö stelnd die schreckliche
Wahrheit zu sehen.
»Was war der Zweck Ihrer Mission? Feldmarschall
Rom mels Konferenz? Pläne für den Atlantikwall?«
Er schüttelte den Kopf. »Nicht plausibel. Sie haben Sie
hergeschickt, damit Sie von Baum ans Messer geliefert werden, denn sie
sind über zeugt, daß wir Baum immer noch für einen
der unseren hal ten.«
»Aber warum sollten sie das tun?«
»Die Reichslingers dieser Welt können sehr
effektiv sein. Ih re Leute haben damit gerechnet, daß Sie
reden würden. Sie wollten sogar, daß Sie reden würden.
Sie haben Ihnen irgend etwas gesagt, etwas durchblickenlassen, das
Ihnen im Moment gar nicht einfällt. Irgend etwas, das
äußerst wichtig erscheinen sollte, obgleich Sie es
vielleicht ganz belanglos fanden.«
Sie erinnerte sich daran, wie Craig Osbourne auf der Lili Marlen seine
Hand auf ihre gelegt hatte, und bemühte sich ver zweifelt, es
nicht zu glauben. Und dann erinnerte sie sich an Munro in Cold Harbour,
an die Karte auf seinem Schreibtisch, die er so hastig fortgenommen
hatte, nachdem er ihr einen Blick auf die Invasionspunkte am Tag der
Landung ermöglicht hatte.
Priem hatte sie aufmerksam beobachtet. Nun lächelte er. »Jetzt wissen Sie es, nicht wahr?«
Sie nickte, fühlte sich plötzlich wie zerschlagen. »Ja. Soll ich es Ihnen sagen?«
»Würden Sie das tun?«
»Lieber nicht, nur für den Fall, daß
ich mich irre. Sie haben mir gezeigt, daß es auf meiner Seite
Leute gibt, die genauso abgrundschlecht und skrupellos sind wie Sie,
aber mir wäre es lieber, wenn meine Seite gewinnt. Dort, wo ich
herkomme, gibt es einige sehr nette Leute, und ich würde nicht
gern die SS in Saint Martin sehen.«
»Gut«, sagte er. »Genau das, was ich von Ihnen erwartet ha be.«
Sie holte tief Luft. »Was passiert jetzt?«
»Sie werden Ihr Kleid wieder anziehen und auf den Ball zu rückgehen.«
Ihr schwindelte ein wenig. »Das kann nicht Ihr Ernst sein.«
»Oh, doch. Feldmarschall Rommel und seine
Eskorte wer den uns in einer Stunde verlassen. Er fahrt noch heute
nacht nach Paris zurück. Sie werden zu denen gehören, die
lächeln und ihm alles Gute wünschen. Sie werden einige Worte
mit ihm wechseln. Und ein freundliches Gesicht machen, schon für
die Fotografen. Er wird davonfahren in die Nacht, und Sie, meine liebe
Geneviève, werden weiter tanzen.«
»Die Seele des Festes?«
»So ungefähr. Man könnte
argumentieren, daß
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