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Das große Haus (German Edition)

Das große Haus (German Edition)

Titel: Das große Haus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Krauss
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Junge, kaum noch ein Junge, mit seinen fünfzehn Jahren schon ein richtiger junger Mann, verabreichte mir etwas, eine Art Pumpen oder Drücken, das, wie sich herausstellte, eine Umarmung sein sollte. Eine Umarmung. Dovik, mein Enkel, der mir seit Jahren keine einzige Frage mit mehr als einer Silbe beantwortet hatte, umklammerte mich jetzt, die Augen zusammengepresst, mit gebleckten Zähnen. Offenbar bemüht, Tränen zu unterdrücken. Ich klopfte ihm auf den Rücken. Schon gut, schon gut, sagte ich zu ihm, Grandma hat dich immer sehr lieb gehabt. Mehr bedurfte es nicht, da sprudelte er los, heulte mich mit Rotz und Wasser voll, bis er nur noch ein schluchzendes Häufchen Elend war. Weil niemand ihn irgendetwas gelehrt hat, nicht einmal hier, in diesem Land, wo der Tod das Leben überlagert und er jetzt den ersten Geschmack davon bekommt. Und er weint nicht um sie, nicht um seine Grandma, sondern um seiner selbst willen: weil auch er eines Tages sterben wird. Und weil vorher seine Freunde sterben werden, und die Freunde seiner Freunde, und im Lauf der Zeit die Kinder seiner Freunde, und wenn sein Schicksal wirklich bitter ist, seine eigenen Kinder. Also weint er. Und während ich versuche, ihn wortlos zu trösten (ich ahne, dass der junge Mann für alle Worte taub ist, außer denen, die durch die riesigen, flauschigen Portale des Kopfhörers zu ihm dringen), kehrt Uri mit klimpernden Autoschlüsseln zurück. Und da, aus dem Nichts, streckst du deine Hand aus, um ihn aufzuhalten. Du, der, soweit es mich betrifft, keine Ahnung von nichts hatte. Ich bringe ihn, sagtest du. Ihn?, schrie ich fast. Ihn? Als wäre ich ein Kind, das darauf wartet, zur Tanzstunde gebracht zu werden. Uri warf mir einen Blick zu, um meine Reaktion abzuschätzen. Uri, der die Fernbedienung meiner Garage in seinem Auto aufbewahrt, an die Sonnenblende geklemmt, direkt neben seiner eigenen, so oft benutzt er sie. Und doch, was konnte ich sagen? Da war Giliad, der immer noch an mir hing. Du hast mich vielleicht in eine Situation gebracht! Wie sollte ich dir sagen, was ich wirklich von deinem Angebot hielt, während sich dieses ausgewachsene Kind, Hilfe und Trost suchend, an mich klammerte, zutiefst von dem Schock getroffen, dass alles vorübergehend ist, alles hier, alle, die wir da waren, alles, was er kannte?
    Und so saß ich fünf Minuten später gegen meinen Willen mit dir in dem Mietwagen, Ronits Tüte voller kleiner Plastikschalen mit Essen auf dem Schoß. Das Innere war schwarzes Leder. Was ist das für ein Ding?, fragte ich. Ein BMW, sagtest du. Ein deutsches Auto?, sagte ich. In einem deutschen Auto fährst du mich nach Hause? Bist du so ein großer Zampano, dass du keinen Hyundai nehmen kannst wie jeder andere? Ist der dir nicht gut genug? Musst du Extrageld drauflegen, um ein Auto zu bekommen, das Nazisöhne gebaut haben? Die Söhne der Aufseher von Todeslagern? Haben wir schwarzes Leder nicht genug gehabt? Lass mich raus aus diesem Ding, sagte ich, ich geh lieber zu Fuß. Dad, batest du, und ich hörte etwas in deiner Stimme, das ich nicht kannte. Etwas, was sich dort verborgen hielt, in den höheren Tonlagen. Bitte, sagtest du. Lass mich nicht betteln. Es war ein langer Tag. Und damit hattest du nicht unrecht, also drehte ich mich von dir weg und starrte aus dem Fenster.
     
    Als du ein kleiner Junge warst, nahm ich dich jeden Freitagmorgen mit auf den Shuk. Erinnerst du dich, Dova’leh? Ich kannte alle Händler, und sie kannten mich. Sie hatten immer etwas zum Probieren für mich. Nimm dir ein paar Datteln, sagte ich zu dir, während ich mich mit Zegury, dem Obstmann, auf ein hitziges Gefecht über Politik einließ. Fünf Minuten später schaute ich rüber, und du hast sie eine nach der anderen mit spitzen Fingern abgezupft und jede einzelne mit distanzierter Befremdung genauestens betrachtet. Ich packte die Tüte mit der jämmerlichen kleinen Sammlung. So verhungert man ja, sagte ich, nahm zwei, drei gehäufte Handvoll und warf sie hinein. Keine einzige habe ich dich essen sehen. Du fandest, sie sähen wie Kakerlaken aus. Auf dem Shuk gab es einen alten Araber, der Scherenschnittprofile aus schwarzem Papier von den Leuten machte. Das Modell musste sich auf eine Kiste setzen, dann peilte der Araber es mit den Augen an und schnippelte los. Wenn du zugeschaut hast, zucktest du jedes Mal zusammen, aus Angst, der Araber würde sich schneiden, was er nie tat. Er schnippelte wie wild, dann überreichte er dem Subjekt die Papieressenz seines

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