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Das große Haus (German Edition)

Das große Haus (German Edition)

Titel: Das große Haus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Krauss
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sagen, einen Treppenlift einzubauen, nachdem er herausgefunden hatte, dass ich seit einem Monat auf dem Sofa unten schlief, weil ich nicht mehr hinaufsteigen konnte. Stell dir das vor, Dovik, einen Treppenlift , damit ich, wann immer ich wollte, rauf- und runtersausen konnte wie ein alpiner Skiläufer. Und als wäre das nicht genug, rief er uns jeden Morgen an, um zu fragen, wie die Nacht gewesen sei, und jeden Abend, um zu fragen, wie der Tag gewesen sei. Das alles tat er ohne irgendeine Klage, ohne Groll, obwohl er jedes Recht gehabt hätte, dir böse zu sein. Ich schaute in die Küche, und da wart ihr beide, Kopf an Kopf, zwei erwachsene Männer, die im Flüsterton miteinander redeten, genau wie ihr es gemacht hattet, als ihr Kinder wart, in intensiven Diskussionen über wer weiß was ihr damals zu reden hattet, Mädchen vermutlich, ihr glänzendes langes Haar, ihre Hintern und Brüste. Nur diesmal wusste ich, dass ihr über mich geredet habt. Euch die Köpfe zerbrochen, was ihr nun wohl mit mir machen solltet, eurem Alten, ohne einen Schimmer Ahnung, genau wie du damals keinen Schimmer davon hattest, was mit zwei Titten zu machen sei. Wenn es Uri gewesen wäre, der sich den Kopf zerbrochen hätte, das wäre für mich in Ordnung gewesen, daran war ich schon gewöhnt, er hatte eine Art, die mir nicht meine Würde nahm. Gott verhüte, dass ich eines Tages nicht mehr in der Lage wäre, mir beim Pissen den eigenen Schwanz zu halten, aber Uri fände eine Art, es für mich zu tun, ohne mich meiner Würde zu berauben, mit genau dem richtigen Witz oder einer komischen Geschichte über etwas, was neulich im Supermarkt los war. Das ist Uri. Aber dass jetzt auf einmal du einbezogen warst, du, der so lange in Schweigen gehüllt dort drüben gelebt hatte, während deine Mutter und ich schusselig und alt wurden, der sich jetzt plötzlich entschloss, hier reinzuschneien, um seine Großherzigkeit zu demonstrieren, so zu tun, als gehörtest du zu allem hier dazu, mit diesem widerwärtig sorgenvollen Ausdruck im Gesicht – das war zu viel für mich. Was zum Teufel geht hier vor?, sagte ich. Du drehtest dich zu mir um, und mir war, als sähe ich in deinen Augen, hinter der ganzen falschen Großmütigkeit, ein Aufflackern deiner alten Wut, der, die du am Kochen gehalten, die du für mich gerührt und gerührt hast, als du siebzehn, neunzehn, zwanzig warst. Und ich war glücklich, mein Junge. Ich war glücklich, sie wiederzusehen, so wie man glücklich ist, eine lange vermisste Verwandte wiederzusehen.
    Nichts, sagtest du. Du warst immer ein schlechter Lügner. Wir überlegen, was wir mit dem vielen Essen machen sollen. Ich ignorierte dich. Ich bin fertig zum Nachhausegehen, Uri, sagte ich. Dad, sagte er, bist du sicher, dass du nicht hierbleiben willst? Ronit kann dir das Gästebett richten, die Matratze ist brandneu, sehr bequem, kann ich nur sagen, ich war selbst schon ein paarmal genötigt, sie auszuprobieren, und dann setzte er sein breites Grinsen auf, weil er ein Mann ist, der auf eigene Kosten Witze machen kann. Er vergibt sich nichts dabei. Ganz im Gegenteil: Je mehr er sich über sich lustig macht, je mehr er die Leute ermuntert, über ihn zu lachen, umso glücklicher ist er. Da bist du baff, Dove, was? Dass ein Mann es akzeptieren kann, ja sich sogar dafür anbietet, ausgelacht zu werden? Du hattest immer viel zu große Angst, zum Deppen gemacht zu werden. Wenn irgendjemand es wagte, über dich zu lachen, wurdest du sauer und hast ihn heimlich in deinem kleinen Merkheftchen auf die Liste der offenen Rechnungen gesetzt. Das warst du. Und schau dich jetzt an: ein hoher Richter. Wenn alles gutgeht, werden sie dich eines Tages an den High Court von England berufen. Als Richter der höchsten Instanz, um über die schweren Verbrechen, die schwersten von allen zu urteilen. Aber du hast dich schon früh darin geübt. Dich über den Rest zu erheben, zu urteilen, zu verdammen – das lag dir, darin warst du ein Naturtalent.
    Danke vielmals, sagte ich, aber ich möchte nach Hause, und Uri zuckte mit den Schultern, rief Ronid zu, er solle etwas Essen einpacken, und ging die Autoschlüssel suchen. Giliad, den ich seit einer Ewigkeit zum ersten Mal ohne ein Paar riesige Kopfhörer auf den Ohren sah, kam mit einem entschlossenen Gesichtsausdruck in die Küche und schnurstracks auf mich zu. Ich blickte über meine Schulter, weil ich dachte, er habe etwas hinter mir im Auge, und als ich den Kopf zurückdrehte, stießen wir zusammen. Der

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