Das große Haus (German Edition)
gegen die Welt; diesmal erschien sie schon nach einer Stunde in deinem von der Armee ausgegebenen T-Shirt, um den Kühlschrank zu erkunden und das Radio anzustellen. Fühl dich ganz wie zu Hause, sagte ich, als sie sich über die Schalen mit Geflügelsalat und kalten Nudeln hermachte. So ein kleines Mädchen und so ein großer Appetit. Sie war sich ihrer Schönheit sicher, man merkte es ihren kleinsten Gesten an. Sie schmiss die Arme und Beine mit natürlicher Unbekümmertheit, aber sie landeten immer anmutig. Alles an ihr folgte einer inneren Logik. Sag mal, sagte ich. Sie blickte mich an, noch kauend. Ein Moschusduft umgab sie. Was?, fragte sie. Ich saß da, Haare wuchsen mir aus den Ohren. Schon gut, sagte ich und ließ den Riesenhai davonschwimmen. Sie aß schweigend zu Ende, stand auf und spülte ihren Teller ab. An der Tür hielt sie inne. Die Antwort auf Ihre Frage ist nein, sagte sie. Welche Frage?, sagte ich. Die Sie nicht gestellt haben, sagte sie. Aha? Und welche wäre das? Wegen Dov, sagte sie. Ich wartete, dass sie fortfuhr, aber nein. Es lag viel in diesem Moment, was ich nicht kapiert habe. Ich hörte die Eingangstür hinter ihr ins Schloss fallen.
Während deines ganzen Militärdienstes hast du regelmäßig an dich selbst adressierte Päckchen nach Hause geschickt. Deine Mutter gab deine Anweisung weiter, niemand dürfe diese Päckchen anrühren, außer um sie in die Schublade deines Schreibtischs zu legen. Du hast nicht an Klebeband gespart, um sicherzustellen, dass du es merken würdest, wenn irgendjemand sich daran zu schaffen machte. Aber rate, was? Ich habe es getan. Ich habe sie geöffnet, den Inhalt gelesen und sie dann genauso verschlossen, wie du es gemacht hattest, mit noch mehr Klebeband, und falls du fragen solltest, hätte ich gesagt, die Militärzensoren müssten das verbrochen haben. Aber du hast nicht gefragt. Soweit ich weiß, hast du dir nie wieder angesehen, was du geschrieben hattest. Manchmal habe ich mir sogar eingeredet, du wüsstest, dass ich die Päckchen aufmachte und deine Geschichten las; es sei deine Absicht, dass ich sie lesen solle. Und so nahm ich die Umschläge, wenn ich Muße hatte, wenn deine Mutter weg und niemand im Haus war, dampfte sie auf und las über den Hai und die vernetzten Albträume vieler. Über den Hausmeister, der das Becken jeden Abend sauber machte, die Scheiben abrieb, die Schläuche und die Pumpe für die Zufuhr frischen Wassers überprüfte – und der seine Arbeit hin und wieder unterbrach, um nach den fiebernden, schlotternden, in den Betten schlafenden Körpern zu sehen, auf seinen Schrubber gestützt am Beckenrand stand und dem mit Elektroden bedeckten, an Schläuchen hängenden weißen Biest in die Augen starrte, das jeden Tag kränker und kränker davon wurde, den Schmerz so vieler aufzunehmen.
Das Mädchen, Dafna, hat dich natürlich verlassen. Nicht sofort, aber beizeiten. Du hast entdeckt, dass sie mit einem anderen Mann zusammen gewesen war. Konntest du ihr das verübeln? Vielleicht war dieser Mann mit ihr tanzen gegangen. Wange an Wange, das Bein zwischen die Beine gedrängt, irgendwo in einer lauten Disco mit Stammesgetrommel, und sie war berauscht von dieser Nähe zu einem Mann, dem sein eigener Körper kein fernes Land oder gar Feindesland war. Nein, es ist nicht schwer, sich die Geschichte vorzustellen. Schon mit zwölf oder dreizehn hast du angefangen, nach innen zu wachsen. Deine Brust fiel in sich zusammen, deine Schultern wurden rund, deine Arme und Beine standen in seltsamen Verrenkungen von dir ab, als gehörten sie nicht mehr dazu. Du bliebst stundenlang eingeschlossen auf dem Klo. Weiß Gott, was du dadrin gemacht hast. Versucht, den Sinn der Dinge auszubrüten. Wenn Uri aufs Klo ging, platzte er wieder heraus, während das Wasser noch die Schüssel hinuntergurgelte, mit rosigen Wangen, manchmal sogar singend. Er hätte es sogar vor Publikum vollbracht. Aber du, wenn du nach einer Ewigkeit zum Vorschein kamst, sahst blass, verschwitzt, verstört aus. Was hast du die ganze Zeit gemacht, mein Junge? Gewartet, dass sich der Geruch verzieht?
Sie verließ dich, und du hast gedroht, dich umzubringen, kamst auf Urlaub nach Hause und saßest im Garten wie ein schrumpelnder Kohlkopf, eine Decke über die Schultern gehängt. Niemand kam dich besuchen, nicht einmal Shlomo, weil du ihn ein paar Monate zuvor wegen weiß Gott was für einer Beleidigung, die du für unverzeihlich hieltest, abgeschafft hattest, deinen besten Freund, der
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