Das große Haus (German Edition)
langen Monolog über die Bauarbeiten unten an der Straße, irgendetwas mit Abflussrohren und kratergroßen Löchern. Mir kam der Verdacht, es sei ein Kode für etwas anderes, was du mir sagen wolltest. Über deine Gesundheit vielleicht? Oder unsere gemeinsame Gesundheit, die von Vater und Sohn? Ich versuchte dir zu folgen, aber du hast mich abgehängt. Ich wurde vom Pferd geworfen, mein Junge. In der Gosse zurückgelassen. Ich habe einen Fehler gemacht, indem ich dir so viel erzählt habe – ein schmerzlicher Ausdruck verzerrte dein Gesicht, und dann bist du in Schweigen zurückverfallen. Nachträglich kam mir der Verdacht, es sei ein Test gewesen, einer, den du extra für mich ausgebrütet hattest, bei dem ich als einzig mögliches Ergebnis nur versagen konnte, damit du frei warst, dich wieder wie eine Schnecke in dein Gehäuse zu verkriechen, fortzufahren, mich zu beschuldigen und zu verachten.
Zehn Tage zusammen in diesem Haus, und wir haben fast nichts anderes getan als unsere Reviere abgesteckt und ein paar Rituale geschaffen. Um Fuß zu fassen. Uns eine Orientierung zu geben, wie die Leuchtstreifen auf den Gängen in Not geratener Flugzeuge. Jeden Abend gehe ich vor dir schlafen, und jeden Morgen, so früh ich auch aufstehen mag, bist du vor mir wach. Ich sehe deine lange graue Gestalt über die Zeitung gebeugt. Ich hüstele, wenn ich die Küche betrete, damit du nicht erschrickst. Du setzt das Wasser auf, stellst zwei Tassen hin. Wir lesen, grunzen, rülpsen. Ich frage, ob du einen Toast magst. Du lehnst ab. Jetzt bist du schon übers Essen erhaben. Oder sind es die angebrannten Krusten, die du nicht magst? Toasten war immer Sache deiner Mutter. Mit vollem Mund rede ich über die Nachrichten. Schweigend wischst du die verspuckten Krümel weg und liest weiter. Meine Worte sind für dich höchstens atmosphärisch: Sie dringen verschwommen durch, wie Vogelgezwitscher oder das Ächzen alter Bäume, und soviel ich sagen kann, verlangen sie dir ebenso wenig wie diese eine Antwort ab. Nach dem Frühstück ziehst du dich zum Schlafen auf dein Zimmer zurück, erschöpft von deiner nächtlichen Streunerei. Kurz vor Mittag erscheinst du mit deinem Buch im Garten und stellst dir den einzigen Gartenstuhl mit heiler Sitzfläche heraus. Ich nehme den bequemen Sessel vor dem Fernseher. Gestern habe ich mir einen Bericht zum Tod einer übergewichtigen Frau angeschaut, die in Safed gestorben ist. Sie hatte sich seit mehr als zehn Jahren nicht von ihrem Sofa bewegt, und als sie tot aufgefunden wurde, stellte man fest, dass ihre Haut damit verwachsen war. Wie es so weit hatte kommen können – darüber haben sie nichts gesagt. Der Bericht beschränkte sich darauf, dass sie vom Sofa losgeschnitten und mit einem Kran durchs Fenster hinausbefördert werden musste. Der Reporter schilderte den langsamen Abstieg des mächtigen Körpers, der in schwarze Plastikfolie gehüllt war, weil es, als letzte Demütigung, in ganz Israel keinen Leichensack gab, der groß genug gewesen wäre. Um Punkt zwei Uhr kehrst du ins Haus zurück, um dein einsames Mönchsessen einzunehmen: eine Banane, einen Becher Joghurt und einen mickrigen Salat. Wer weiß, vielleicht erscheinst du morgen im härenen Hemd. Um Viertel nach zwei nicke ich in meinem Sessel ein. Um vier wache ich von den Geräuschen dessen auf, was du dir für diesen Tag an seltsamen Betätigungen vorgenommen hast – den Schuppen entrümpeln, rechen, die Dachrinne reparieren –, als wolltest du dir die Unterkunft verdienen. Damit alles im Lot bleibt und du mir nichts zu danken hast. Um fünf, beim Tee, fasse ich die neuesten Nachrichten für dich zusammen. Ich warte auf eine Öffnung, einen Sprung in der harten Glasur deines Schweigens. Du wartest, bis ich fertig bin, spülst die Tassen, trocknest sie ab und stellst sie wieder in den Küchenschrank. Du faltest das Geschirrtuch zusammen. Du erinnerst mich an jemanden, der im Rückwärtsgang seine Fußspuren verwischt. Du begibst dich nach oben, in dein Zimmer, und schließt die Tür. Gestern blieb ich davor stehen und lauschte. Was glaubte ich, was ich hören würde? Das Kratzen eines Federhalters? Aber nichts. Um sieben tauchst du auf, um die Fernsehnachrichten zu sehen. Um acht esse ich mein Abendbrot. Um halb zehn lege ich mich schlafen. Viel später, vielleicht gegen zwei oder drei Uhr morgens, verlässt du das Haus und gehst streunen. In die Dunkelheit, die Berge, die Wälder. Ich wache nachts nicht mehr mit jenem Heißhunger auf,
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