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Das große Heft

Das große Heft

Titel: Das große Heft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agota Kristof
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Büchern bedeckt sind. Gegenüber der Tür ein Betstuhl mit einem Kruzifix, am Fenster ein Schreibtisch, ein schmales Bett in einer Ecke, drei Stühle an der Wand entlang: das ist das ganze Mobiliar des Zimmers. Der Pfarrer sagt:
    - Ihr habt euch sehr verändert. Ihr seid sauber. Ihr seht aus wie zwei Engel. Setzt euch.
    Er stellt zwei Stühle vor seinen Schreibtisch; wir setzen uns. Er setzt sich hinter seinen Schreibtisch. Er reicht
uns einen Umschlag:
- Hier ist das Geld.
    Wir nehmen den Umschlag und sagen:
    - Bald können Sie aufhören, uns welches zu geben. Im Sommer kommt Hasenscharte allein zurecht.
    Der Pfarrer sagt:
    - Nein. Ich werde diesen beiden Frauen weiter helfen. Ich schäme mich, daß ich es nicht früher getan habe. Und wenn wir jetzt von etwas anderm sprechen würden? 
    Er sieht uns an, - wir schweigen. Er sagt: 
    - Ich sehe euch nie in der Kirche. 
    - Wir gehen nicht hin. 
    - Betet ihr manchmal?
    - Nein, wir beten nicht.
    - Arme Schäflein. Ich werde für euch beten. Könnt ihr wenigstens lesen?
- Ja, Herr Pfarrer. Wir können lesen.
Der Pfarrer reicht uns ein Buch:
    - Da, lest dieses. Ihr findet darin schöne Geschichten über Jesus Christus und das Leben der Heiligen. 
    - Diese Geschichten kennen wir schon. Wir haben eine Bibel. Wir haben das Alte und Neue Testament gelesen. 
    Der Pfarrer zieht seine schwarzen Augenbrauen hoch: 
    - Wie? Ihr habt die ganze Heilige Schrift gelesen? 
    - Ja, Herr Pfarrer. Wir können sogar einige Stellen auswendig. 
    - Welche zum Beispiel?
    - Stellen aus der Genesis, dem Exodus, den Sprüchen Salomos und der Apokalypse und andere.
    Der Pfarrer schweigt einen Augenblick, dann sagt er:
- Ihr kennt also die zehn Gebote. Beachtet ihr sie?
- Nein, Herr Pfarrer, wir beachten sie nicht. Niemand beachtet sie. Es steht geschrieben: »Du sollst nicht töten«, und alle Welt tötet.
Der Pfarrer sagt:
- Leider... es ist Krieg.
Wir sagen:
    - Wir würden gern andere Bücher lesen als die Bibel, aber wir haben keine. Sie haben welche. Sie könnten uns welche leihen.
    - Die Bücher sind zu schwierig für euch. 
    - Sind sie schwieriger als die Bibel? 
    Der Pfarrer sieht uns an. Er fragt:
    - Welche Art Bücher möchtet ihr gern lesen? 
    - Geschichtsbücher und Geographiebücher. Bücher, die wirkliche Dinge erzählen, keine erfundenen. 
    Der Pfarrer sagt:
    - Bis nächsten Samstag werde ich geeignete Bücher für euch finden. Laßt mich jetzt allein. Geht wieder in die Küche und eßt eure Brote auf.

Die Magd und der Adjutant
    Wir pflücken mit der Magd Kirschen im Garten. Der Adjutant und der fremde Offizier kommen im Jeep an. Der Offizier geht geradewegs in sein Zimmer. Der Adjutant bleibt bei uns stehen. Er sagt:
    - Guten Tag, kleine Freunde, guten Tag, das hübsche Fräulein. Kirschen schon reif? Ich Kirschen sehr mögen, ich hübsches Fräulein sehr mögen.
    Der Offizier ruft aus dem Fenster. Der Adjutant muß ins Haus. Die Magd sagt zu uns:
    - Warum habt ihr mir nicht gesagt, daß bei euch Männer sind?
- Es sind Fremde.
- Na und? Was für ein schöner Mann, der Offizier!
Wir fragen:
- Der Adjutant gefällt Ihnen nicht?
- Er ist klein und dick.
- Aber er ist nett und lustig. Er spricht unsere Sprache gut.
Sie sagt:
    - Das ist mir egal. Mir gefällt der Offizier.
    Der Offizier setzt sich auf die Bank vor dem Fenster. Der Korb der Magd ist voller Kirschen, sie könnte ins Pfarrhaus zurückkehren, aber sie bleibt da. Sie betrachtet den Offizier, sie lacht sehr laut. Sie hängt sich an einen Ast, sie schaukelt, sie springt, sie legt sich ins Gras, und schließlich wirft sie dem Offizier ein Gänseblümchen vor die Füße. Der Offizier steht auf, geht wieder in sein Zimmer. Kurz danach kommt er heraus und fährt mit dem Jeep weg.
    Der Adjutant beugt sich aus dem Fenster und schreit:
    - Wer kommen und helfen armen Mann sehr schmutziges Zimmer saubermachen?
Wir sagen:
- Wir wollen Ihnen gern helfen.
Er sagt:
- Brauchen eine Frau, um zu helfen. Brauchen hübsches Fräulein.
Wir sagen zur Magd:
    - Kommen Sie. Wir helfen ihm ein bißchen.
    Wir gehen alle drei ins Zimmer des Offiziers. Die Magd nimmt einen Besen und beginnt zu fegen. Der Adjutant setzt sich auf das Bett. Er sagt:
    - Ich träumen. Ich eine Prinzessin sehen im Traum. Prinzessin soll mich zwicken für aufwachen.
    Die Magd lacht, sie zwickt den Adjutanten sehr fest in die Backe.
Der Adjutant schreit:
    - Ich jetzt aufgewacht. Auch ich wollen zwicken böse Prinzessin.
    Er nimmt die Magd in die Arme und

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