Das große Heft
Land: die Getränke, die Konserven, die Kekse, der Zucker. Es ist unser Land, das Ihre Armee ernährt.
Der Adjutant wird rot. Er setzt sich auf das Bett, nimmt den Kopf in die Hände:
- Ihr glaubt, ich wollen Krieg und in euer Scheißland kommen? Ich viel lieber zu Haus, ruhig, Stühle und Tische machen. Landwein trinken, mit unsern netten Mädchen lustig sein. Hier alle böse, ihr auch, kleine Kinder. Ihr sagen, alles meine Schuld. Ich was kann machen? Wenn ich sagen, nicht in Krieg gehen, nicht in euer Land kommen, ich erschossen. Ihr alles nehmen, los, alles nehmen auf dem Tisch. Das Fest aus, ich traurig, ihr zu böse mit mir. Wir sagen:
- Wir wollen nicht alles nehmen, bloß ein paar Konserven und ein bißchen Schokolade. Aber Sie könnten von Zeit zu Zeit, wenigstens während des Winters, Milchpulver mitbringen, Mehl oder irgend was anderes zu essen.
Er sagt:
- Gut. Das ich kann. Ihr morgen mit mir kommen zu Blinden. Aber dann ihr nett sein zu mir. Ja?
Wir sagen:
- Ja.
Der Adjutant lacht. Seine Freunde kommen. Wir gehen. Wir hören sie die ganze Nacht singen.
Die Magd des Pfarrers
Eines Morgens, gegen Ende des Winters, sitzen wir mit Großmutter in der Küche. Es klopft an der Tür; eine junge Frau tritt ein. Sie sagt:
- Guten Tag. Ich komme, um Kartoffeln zu holen für...
Sie hört auf zu sprechen, sie schaut uns an:
- Sie sind allerliebst!
Sie holt einen Schemel, sie setzt sich:
- Komm her, du.
Wir rühren uns nicht.
- Oder du.
Wir rühren uns nicht. Sie lacht:
- So kommt doch, kommt näher. Mache ich euch Angst?
Wir sagen:
- Niemand macht uns Angst.
Wir gehen zu ihr, - sie sagt:
- Himmel! Wie schön ihr seid! Aber wie schmutzig!
Großmutter fragt:
- Was wollen Sie?
- Kartoffeln für den Herrn Pfarrer. Warum seid ihr so schmutzig? Wascht ihr euch nie?
Großmutter sagt, ärgerlich:
- Das geht Sie nichts an. Warum ist die Alte nicht gekommen?
Die junge Frau lacht von neuem:
- Die Alte? Sie war jünger als Sie. Aber sie ist gestern gestorben. Es war meine Tante. Ich vertrete sie im Pfarr
haus.
Großmutter sagt:
- Sie war fünf Jahre älter als ich. So, sie ist gestorben... Wieviel Kartoffeln wollen Sie?
- Zehn Kilo, oder mehr, wenn Sie welche haben. Und auch Äpfel. Und auch... Was haben Sie denn sonst noch? Der Herr Pfarrer ist dürr wie ein Stock, und er hat nichts in seiner Speisekammer.
Großmutter sagt:
- Er hätte im Herbst dran denken müssen.
- Diesen Herbst war ich noch nicht bei ihm. Ich bin erst seit gestern abend dort.
Großmutter sagt:
- Ich sag's Ihnen gleich, in dieser Jahreszeit ist alles Eßbare teuer.
Die junge Frau lacht wieder:
- Nennen Sie Ihren Preis. Wir haben keine Wahl. Es gibt fast nichts mehr in den Geschäften.
- Bald wird es nirgends mehr was geben.
Großmutter feixt und geht hinaus. Wir bleiben allein mit der Magd des Pfarrers. Sie fragt uns:
- Warum wascht ihr euch nie?
- Es gibt kein Badezimmer, es gibt keine Seife. Es gibt keine Möglichkeit, sich zu waschen.
- Und eure Kleider! Wie furchtbar! Habt ihr keine andern?
- Wir haben welche in den Koffern, unter der Bank. Aber sie sind schmutzig und zerrissen. Großmutter wäscht sie nie.
- Die Hexe ist eure Großmutter? Es gibt wirklich Wunder.
Die Hexe kommt mit zwei Säcken zurück:
- Das macht zehn Silberstücke oder ein Goldstück. Ich nehme keine Scheine. Die haben bald keinen Wert mehr, es ist Papier.
Die Magd fragt:
- Was ist in den Säcken?
Großmutter antwortet:
- Was Eßbares. Sie können es nehmen oder stehenlassen.
- Ich nehme es. Ich bringe Ihnen das Geld morgen. Können die Kleinen mir die Säcke tragen helfen?
- Sie können, wenn sie wollen. Sie wollen nicht immer. Sie gehorchen niemand.
Die Magd fragt uns:
- Ihr wollt doch, nicht wahr? Jeder von euch trägt einen Sack, und ich trage eure Koffer.
Großmutter fragt:
- Was ist das für eine Geschichte mit Koffern?
- Ich werde ihre schmutzigen Kleider waschen. Ich bringe sie morgen mit dem Geld wieder zurück.
Großmutter feixt:
- Ihre Kleider waschen? Wenn es Ihnen Spaß macht...
Wir gehen mit der Magd weg. Wir gehen bis zum Pfarrhaus hinter ihr her. Wir sehen zwei blonde Zöpfe auf ihrem schwarzen Halstuch tanzen, ihre dicken, langen Zöpfe. Sie reichen ihr bis zur Taille. Ihre Hüften tanzen unter dem roten Rock. Man kann ein Stück ihrer Beine zwischen dem Rock und den Stiefeln sehen. Die Strümpfe sind schwarz, und der rechte hat eine Laufmasche.
Das Bad
Wir kommen mit der Magd im Pfarrhaus an.
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