Das große Heft
Zugaben.
Manchmal, wenn die Leute aufmerksam sind, nicht zu betrunken und nicht zu laut, zeigen wir ihnen eines unserer kleinen Theaterstücke, zum Beispiel Die Geschichte vom Armen und vom Reichen.
Einer von uns spielt den Armen, der andere den Reichen.
Der Reiche sitzt an einem Tisch, er raucht. Der Arme tritt auf:
- Ich habe Ihr Holz fertig gehackt, mein Herr.
- Gut so. Übung tut gut. Sie sehen sehr gesund aus. Ihre Backen sind ganz rot.
- Meine Hände sind eiskalt, mein Herr.
- Kommen Sie näher! Zeigen Sie! Ekelhaft! Ihre Hände sind voller Schrammen und Furunkel.
- Es sind Frostbeulen, mein Herr.
- Ihr Armen habt dauernd widerwärtige Krankheiten. Ihr seid schmutzig, das ist das Schlimme an euch. Nehmen Sie das da, für Ihre Arbeit.
Er wirft dem Armen ein Päckchen Zigaretten zu, dieser zündet sich eine an und beginnt zu rauchen. Aber da, wo er steht, an der Tür, gibt es keinen Aschenbecher, und er traut sich nicht, an den Tisch zu gehen. Also klopft er die Asche seiner Zigarette in seine hohle Hand ab. Der Reiche, der gern möchte, daß der Arme weggeht, tut so, als sehe er nicht, daß der Mann einen Aschenbecher braucht. Aber der Arme kann nicht gleich von hier weggehen, weil er Hunger hat. Er sagt:
- Es riecht gut bei Ihnen, mein Herr.
- Es riecht nach Sauberkeit.
- Es riecht auch nach warmer Suppe. Ich habe heute noch nichts gegessen.
- Das hätten Sie tun sollen. Was mich betrifft, so werde ich im Restaurant essen, denn ich habe meinem Koch
freigegeben.
Der Arme schnuppert:
- Trotzdem riecht es hier nach schöner warmer Suppe.
Der Reiche schreit:
- Es kann bei mir nicht nach Suppe riechen; niemand kocht Suppe bei mir; es muß von den Nachbarn kommen, oder es riecht in Ihrer Einbildung nach Suppe! Ihr Armen denkt bloß an euren Magen; deswegen habt ihr nie Geld; alles, was ihr verdient, gebt ihr für Suppe und Wurst aus. Ihr seid Schweine, ja, Schweine, und jetzt versauen Sie mein Parkett mit Ihrer Zigarettenasche! Raus hier, und kommen Sie mir nicht mehr unter die Augen!
Der Reiche macht die Tür auf, versetzt dem Armen einen Fußtritt, so daß er der Länge nach auf den Gehsteig fällt.
Der Reiche macht die Tür wieder zu, setzt sich vor einen Teller Suppe und sagt, die Hände faltend:
- Dank, Herr Jesus, für alle deine Wohltaten.
Der Alarm
Als wir bei Großmutter angekommen sind, gab es nur sehr selten Alarm in der Kleinen Stadt. Jetzt immer häufiger. Die Sirenen heulen zu jeder Tages- und Nachtzeit, genau wie in der Großen Stadt. Die Leute rennen in Schutzräume, flüchten in die Keller. Zu dieser Zeit sind die Straßen leer. Manchmal bleiben die Türen der Häuser und Geschäfte offen. Wir nutzen die Gelegenheit, um hineinzugehen und uns in Ruhe zu nehmen, was uns gefällt.
Wir flüchten nie in unsern Keller. Großmutter auch nicht. Tagsüber gehen wir weiter unseren Beschäftigungen nach, nachts schlafen wir weiter.
Meistens überfliegen die Flugzeuge unsere Stadt, um auf der andern Seite der Grenze ihre Bomben abzuwerfen. Es kommt vor, daß trotzdem eine Bombe auf ein Haus fällt. In diesem Fall ermitteln wir die Stelle nach der Richtung, aus der der Rauch kommt, und wir sehen nach, was zerstört worden ist. Wenn etwas übrig ist, was mitgenommen werden kann, nehmen wir es mit.
Wir haben beobachtet, daß die Leute, die sich im Keller eines bombardierten Hauses befinden, immer tot sind. Der Schornstein des Hauses dagegen bleibt fast immer stehen.
Es kommt auch vor, daß ein Flugzeug einen Angriff im Sturzflug macht, um Leute auf den Feldern oder auf der Straße zu beschießen.
Der Adjutant hat uns beigebracht, daß man aufpassen muß, wenn das Flugzeug auf einen zukommt, daß aber, sobald es sich über unserm Kopf befindet, die Gefahr vorüber ist.
Wegen des Alarms ist es verboten, abends die Lampen anzuzünden, bevor man die Fenster nicht vollständig verdunkelt hat. Großmutter meint, es sei praktischer, überhaupt kein Licht zu machen. Patrouillen gehen die ganze Nacht herum, um darauf zu achten, daß die Vorschrift eingehalten wird.
Während des Essens sprechen wir einmal von einem Flugzeug, das wir in Flammen haben aufgehen sehen. Wir haben auch den Piloten mit dem Fallschirm abspringen sehen.
- Wir wissen nicht, was aus dem Piloten der Feinde geworden ist.
Großmutter sagt:
- Feinde? Es sind Freunde, unsere Brüder. Sie werden bald kommen.
Einmal gehen wir während eines Alarms spazieren. Ein aufgeregter Mann stürzt auf uns zu:
- Ihr dürft
Weitere Kostenlose Bücher