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Das große Leuchten (German Edition)

Das große Leuchten (German Edition)

Titel: Das große Leuchten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Stichmann
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der sie die Hände und Augenbrauen bewegte, als wären alle anderen etwas schwer von Begriff. Und dann wieder verzog sie nur die Unterlippe und konnte allein damit einen zweifelnden oder ironischen Ausdruck machen. Diesmal trug sie eine kurze Jeanshose und ein schwarzes T-Shirt mit dem Schriftzug Necrophilian .
    «Jetzt steigt halt ein, los, los, los, los, zuerst den linken Fuß, dann den rechten, REIN!»
    «Wem gehört das Boot?», fragte Robert.
    «REIN! REIN!»
    Er saß vorne, ich hinten, Ana saß in der Mitte und ruderte mit kräftigen Zügen in die Dunkelheit unter dem Blätterdach. Ich fragte nicht, wo genau sie hinwollte, ich hoffte, dass sie es vielleicht noch nicht wusste, denn mit Robert konnte man nie so richtig ziellos aufbrechen, nie so, dass man eine Chance gehabt hätte, den Rückweg nicht mehr zu finden. Ab und zu sickerte etwas Licht durch das Blätterdach und fiel auf ihr Haar, der Geruch von Vanilleshampoo und fauligem Wasser lag in der Luft; ich war ganz damit beschäftigt, ihr beim Rudern zuzugucken.
    «Gehen wir zu dir nach Hause?», sagte Robert.
    «Ich weiß nicht, warum? WOLLT ihr das?»
    «Ich weiß nicht. Irgendwo müssen wir ja hin.»
    Während er an seinem Kruzifixkettchen fummelte und den Kopf hin und her drehte, wartete ich auf die kleinen schraubenden Blicke, die sie mir zuwarf – als Kommentar zu seinen Fragen.

    Am Waldrand machte sie das Boot fest, und wir durchquerten das Naturschutzgebiet dahinter, eigentlich war es eher eine Geröllhalde: Plastiktüten wehten, Schrott und Flaschenscherben lagen rum. In regelmäßigen Abständen gab es Tierfallen im Gestrüpp, Schnappeisen mit großen Zähnen. Ana hatte die Hände in den Hosentaschen und ging vorgebeugt, fast ein bisschen vorwärtsfallend; in der Ferne tauchte das Betonhäuschen auf, in dem sie mit ihrem Vater wohnte. Ein graues Klötzchen im gleichmäßig weiten und öden Land.
    «Ich KANN euch mitnehmen, weißt du? Aber dann muss ich euch erst nach Waffen untersuchen. Das ist hoffentlich klar!»
    «Waffen?», sagte Robert.
    «Was sonst! Man kann nie wissen, ob ihr nicht iranische Spione seid, die meinen Vater töten wollen.»
    «Warum denn iranische Spione? Wir waren doch noch nie woanders als in Deutschland.»
    «Trotzdem!»
    Ich wartete auf einen ihrer Blicke, aber es kam keiner.
    Dann sagte ich: «Robert. Natürlich gibt es auch iranische Spione, die immer hier in Deutschland gewohnt haben, wusstest du das nicht? Es kann immer sein, dass jemand ein Messer in der Unterhose hat, gerade wenn er auf den ersten Blick so friedlich aussieht wie du.»
    «Genau, und deshalb müsst ihr euch jetzt ausziehen!»
    Jetzt kam er: ihr Komplizenblick. Ein Lächeln in einer Hundertstelsekunde. Sie ging beiläufig zur Seite, zog eine Zigarette hinter ihrem Ohr vor und rauchte, während Robert und ich begannen, unsere Hemden aufzuknöpfen. Ich schwitzte, hatte aber das Gefühl, mich im Gegensatz zu ihm wenigstens halbwegs entspannt zu bewegen: Er stieg ganz zittrig aus seiner Leinenhose, breitete seine Sachen tatsächlich auf dem Boden aus, damit sie durchsucht werden konnten.
    «Unterhose auch?»
    «Natürlich», sagte Ana.
    Ich versuchte, mir keine Aufregung anmerken zu lassen, es war immerhin klar, dass ich im Vergleich ganz gut wegkommen würde – er hatte einen kleinen, verkniffenen Schwanz. Er stand ganz ehrlich da, und sein Schwanz war auch irgendwie ehrlich, aber eben auch verkniffen und rot.
    Erst als Ana wieder vor uns stand und uns musterte, erschrak ich. Es war, als wäre ich erst jetzt nackt, als hätte sie uns durch ihren Blick erst ausgezogen.
    «Seid ihr KEINE Spione?», sagte sie. «Oder seid ihr vom iranischen GEHEIMDIENST?»
    «Keine Spione», sagte Robert. «Ich hab schon immer zu Hause bei meiner Mutter gewohnt.»
    Ich suchte nach einem Satz; ich wollte unbedingt etwas sagen, das jetzt genau passend kommen würde – etwas Starkes, das trotzdem vieldeutig bliebe, etwas, das die ganzen Gedanken meines Lebens beinhalten würde, ohne zu viel zu sagen. Vielleicht auch etwas Lustiges oder etwas sehr Ernstes und trotzdem Verqueres. Fast fiel es mir ein. Ich hatte es auf der Lippe.
    Ich sagte: «Ein Spion bin ich schon mal nicht …»
    Aber in dem Moment beugte sie sich runter, um meinen Schwanz mit der flachen Hand zu wiegen, als betrachte sie ein Käferchen. Und etwas in meinem Kopf ging aus.

    Als ich die Augen aufmachte, stand sie dicht vor mir. Wir waren exakt gleich groß, ich spürte ihren Atem im Gesicht. Zigaretten und

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