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Das große Leuchten (German Edition)

Das große Leuchten (German Edition)

Titel: Das große Leuchten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Stichmann
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Bier und Wärme. Ihr Blick war kritisch und wurde dann weich, weil sie etwas Weiches dachte, ich sah es genau – es war, als hätte sie ihr Gesicht bis jetzt wie eine Schauspielerin kontrolliert und grade entschieden, mich zum ersten Mal für längere Zeit so richtig anzusehen. Als ich die Mundwinkel hochbekommen hatte, lächelte sie mit.
    Robert wollte sich gerade seine Unterhose anziehen, erschrak aber, als ich ihn ansah, und ließ sie wieder fallen.
    «Warum grinst du jetzt so?»
    «Sorry», sagte ich. «Aber wir müssen noch deine Körperöffnungen kontrollieren. Das ist einfach so, das muss man machen. Das gehört auch zum Sicherheitsprogramm.»
    «Körperöffnungen?»
    «Sie schieben sich die Messer manchmal hinten rein, verstehst du? Sie tun das Messer in eine schmale Dose und tragen es im Arsch durch die halbe Welt, und dann ziehen sie es plötzlich raus und bringen jemanden um.»
    «Woher sollte ich plötzlich ein Messer im Arsch haben, du weißt, dass ich keins hab!»
    Ana war schon ein Stück weitergeschlendert. Ich war mir gar nicht sicher, ob sie das hier gut fand, aber es schien mir jetzt etwas zu sein, das ich zu Ende bringen musste. Robert stand so dünn vor mir, und aus seinen Augen guckte wieder dieses Mitleid, als wollte er mich an alles Traurige dieser Welt erinnern, als wollte er alles Traurige dieser Welt in mich hineinpressen. Ich war aber frei. Ich war nicht zum Herumquengeln geboren.
    «Bück dich jetzt», sagte ich. «Bücken oder gehen!»
    Er nahm seine Klamotten und ging. Nackt, wie er war. Seine Arschbacken wackelten sehr ernst über das Feld, und ich lachte, ich sagte mir, dass es jetzt wirklich wichtig war zu lachen, dass ich einmal mit voller Kraft loslachen musste. Um es mir anzugewöhnen, um nicht immer ernst bleiben zu müssen.
    Als ich mich angezogen und Ana eingeholt hatte, kniff sie die Augen zusammen, als wollte sie etwas auf der Spitze ihrer Zigarette erkennen, aber dann löste sich ihr Gesicht wieder, und sie lachte hell, viel mädchenhafter als bisher.
    «Hast du schon mal so richtig, richtig böse Sachen in deinem Leben gemacht?», sagte sie.
    «Schon öfter.»
    «Alleine?»
    «Wie es sich eben ergibt.»

4
    Zuerst: der gelbe Raps, der immer noch weiter reichte, als man meinte, dann: der Wald und der Fluss, wo es kühler wurde, dahinter die Geröllhalde und die Büsche, hinter denen ich mich versteckte. Ana ging vor dem Betonhäuschen hin und her und hängte Wäsche auf die Leine, ganz unabhängig von mir in ihrem eigenen Leben. Das musste ich immer erst eine Weile sehen: wie sie sich einen Zopf band; wie sie ihre Springerstiefel auszog und rüber zum Hauseingang warf. Als ich sie gefragt hatte, hatte sie gesagt, dass sie auch eine Gedankenstimme habe, und sie hatte meine Frage vielleicht nicht richtig einordnen können – aber es war trotzdem wahrscheinlich, dass sie jetzt in diesem Moment auch etwas dachte, dass sie dort vorne stand mit ihrer Stimme im Kopf. Und dass zumindest wir beide richtig vorhanden waren und die Dinge beeinflussen konnten, dass wir nicht nur irgendwelche farbigen, herumtreibenden Formen waren.

    Ich stand plötzlich hinter ihr. Ich mochte es, mich anzuschleichen. Wenn sie mich schon bemerkt hatte, zog sie ironisch die Augenbrauen hoch, wenn ich sie wirklich überrascht hatte, guckte sie weicher, manchmal fast hausfraulich. Beim letzten Mal hatte sie gesagt, dass ich ganz gut aussähe, dass ich etwas ziemlich Angespanntes an mir hätte, das ihr aber gefiele. Als ich keine Antwort darauf gefunden hatte, hatte sie sich geärgert, dass sie das gesagt hatte, ich hatte es gemerkt. Sie versuchte anscheinend immer, nichts Gefühlsmäßiges zu sagen, aber ihr Mund war zu schnell.

    Wir holten uns ein Bier aus dem Kühlschrank, während sich ihr Vater im Nebenraum von seiner Matratze erhob. Er trank selbst die meiste Zeit; er lag verkatert in Unterhosen da und stemmte sich mit den Armen auf, man konnte sehen, wie er alle Kraft aufwenden musste, um sich hinzusetzen. Kommunisten hatte ich mir eigentlich anders vorgestellt, eher so wie Frances oder andere religiöse Menschen – ohne Drogen, viel am Arbeiten und streng zu sich selbst. Er rollte seine Socken auf und zog sie elend langsam an, dann kam er in einem Trainingsanzug mit gelben Reflektorstreifen an den Seiten raus und blinzelte ins Licht.
    «Salam», sagte ich.
    «Salam», sagte er.
    Ana gab mir Zeichen mit den Augen, dass ich nicht weiter auf ihn achten sollte. Sie war noch ein Baby gewesen, als er

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