Das große Leuchten (German Edition)
in das rosafarbene Wasser. Ihre langen blonden Haare hatte sie zum Zopf gebunden, ihre schmalen Knie guckten aus dem Wasser. Ihr Gesicht wirkte friedlich.
Dass sie das mit den Pulsadern jetzt nämlich nicht mehr machen müsse, erklärte ich. Und ich lächelte, zusammen mit ihr, ich war sehr erleichtert. Sie sagte, dass es sehr nett und umsichtig von mir sei, die Pistole zu bringen, dass sie bisher wirklich nicht ausreichend darüber nachgedacht habe. Dann fragte sie, ob mich etwas irritiere. Sie habe das Gefühl, ich sähe sie nachdenklich an.
Es war dieser Verdacht. Meine Mutter, die jetzt blinzelte und mit einem Waschlappen ihre Knie abwusch, konnte nichts dafür – sie selbst konnte es nicht spüren, sie badete ja nur, ruhig, im duftenden Wasser. Aber was ich ahnte, war, dass alles hier aus Phantasie gemacht war. So, wie Knetgummifiguren aus Knetgummi sind.
Draußen saß ich auf dem Korbstuhl vor dem Haus und hatte eine Tasse Kaffee in den Händen, von der ich vermutete, dass sie mir eben von meiner Mutter gebracht worden war. Aber wo ich wirklich bin, dachte ich, kann ich von hier aus überhaupt nicht erahnen. Möglicherweise liege ich verdreckt und bewusstlos in irgendeinem Gebüsch, während Ana alleine ist, während sie von anderen angesprochen und manipuliert wird. Es war auch unmöglich zu sagen, ob ich überhaupt jemals zurückkommen konnte oder ob es für mich nur diesen sonnigen, falschen Ort gab. Ob ich nicht einfach hierhergehörte.
Dann fiel es mir wieder ein, nicht zu blinzeln. Ich sah in den leuchtenden Raps und blinzelte nicht. Die Rapsfelder verschwammen und wurden zu gelben Formen, und die gelben Formen wurden zu einer vielfarbigen Fläche, und ich dachte, dass dahinter etwas sichtbar werden sollte, aber da schien tatsächlich nichts zu sein. Weil es eben wirklich keine äußere Welt gibt, dachte ich, oder wenn doch, bin ich da zumindest nicht vorhanden. Ja, selbstverständlich war es das, dass es mich überhaupt immer nur hier gegeben hatte, dass ich gar nicht wirklich war. Es war ja logisch. Wie könnte ich auch sein, dachte ich.
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Ich bin ganz offensichtlich noch vorhanden. In Roberts Gartenlaube. In der drückenden Mittagshitze. Das ist der Gedanke, den ich habe, wenn ich mein Gesicht auf der Rückseite des Teelöffels entdecke – gerötet und verdutzt und etwas in die Breite gezogen – und wenn ich dann langsam den Löffel in den Becher stecke und den Fencheltee umrühre, den mir Frances vorhin gebracht hat: Ich bin hier ganz offensichtlich noch vorhanden mit meinem Fencheltee.
Nur für einen Moment hatte ich es vergessen.
Dann öffne und schließe ich die Augen, und auch die Dinge sind an ihrem Platz: der alte Schachtisch, den ich zum Schreibtisch umfunktioniert habe, die Gästematratze an der Wand, die Schreibmaschine direkt vor mir, die Frances mir geschenkt hat, ein altes Ding mit türkisfarbener Tastatur und dem angerosteten Schriftzug Hermes 1000 an der Seite. Robert hat sie extra für mich geölt.
Es macht: plikplik. Plikplikplik. Plikplikplikplikplik. Plikplik. Meine Finger rutschen zwischendurch schwitzend ab, und ab und zu weht ein heißer Wind durch das fehlende Brett in der Tür, und ein paar Seiten flattern vom Tisch, aber das ändert nichts, das Ganze ist sowieso vollkommen durcheinander. Genau genommen tippe und sortiere ich ja hier schon seit fast einem Jahr und drifte dann doch hauptsächlich nur weg.
Roberts Anglerhut trage ich dazu als eine Art Krone auf dem Kopf.
Sein Gesicht erscheint zu jeder vollen Stunde vor dem Plexiglasfenster. Wir wissen dann beide, was wir zu tun haben, es ist ein kleines Ritual: Ich stehe auf und gehe gestikulierend im Kreis, oder ich bleibe plötzlich stehen und starre zu den Spinnennetzen hoch – er weiß dann, dass alles okay ist, dass ich noch etwas hierbleibe und dass er wieder reingehen kann, um Frances zu helfen oder seine Waschung zu zelebrieren.
Ich mache es ja auch absichtlich, ich höre mir selber zu, während ich leise rede, oder ich kratze mich am Kopf und tue so, als würde ich über meine Fingernägel erschrecken, die wieder viel zu lang geworden sind. Wer denkt hier eigentlich, und wer ist der Gedachte, denke ich dann.
Da – Frances hat die Glocke geläutet.
Das bedeutet: Mittagspause. Ruhe. Ich stehe auf und versuche, mich ein bisschen zu entspannen. Ich sehe mir die Postkarten an, die ich an die Wand neben das Plexiglasfenster gepinnt habe. Es sind inzwischen sieben oder acht,
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