Das große Los: Wie ich bei Günther Jauch eine halbe Million gewann und einfach losfuhr (German Edition)
man wirklich muss, wenn man mal ernsthaft darüber nachdenkt.
9. Man hat jederzeit das Recht, die Regeln, die man selbst aufgestellt hat, …
10. … zu ändern.
Juni
San Francisco,
USA
My dear Ruth,
wie schön, dass wir wieder Nachbarn sind– zumindest wohnen wir schon mal auf demselben Kontinent, wenn auch 3000Meilen voneinander entfernt. Ich habe mir gerade die Karte angeschaut: Wenn ich mich jetzt ins Auto setzen würde, wäre ich » bei aktueller Verkehrslage«, wie Google Maps so hübsch sagt, in 48Stunden bei Dir in New York.
Ich weiß gar nicht, ob ich Dir damals, als ich für ein paar Monate in Brooklyn wohnte, erzählt habe, dass ich mit San Francisco noch eine Rechnung offen hatte. 1981, mit 21Jahren, bin ich mit meinem damaligen Freund John die Westküste rauf und runter gefahren. Von Santa Barbara über LA nach San Diego, wo seine Großeltern lebten, dann durch Arizona zum Grand Canyon, weiter nach Salt Lake City, durch Idaho und Oregon nach Seattle und Vancouver, dann die Küste entlang zurück nach LA .
Der Höhepunkt der Tour sollte San Francisco werden, in das ich schon vorher verliebt war, ohne es je gesehen zu haben. Ich hatte die romantische Vorstellung von einem liberalen, schlauen, entspannten Meltingpot– ich dachte: wie New York, nur in klein und mit Hippies drin und Leuten, die viel lesen. Mit anderen Worten: die perfekte Stadt. Nur passierte kurz vor San Francisco leider das, was fast unvermeidbar ist, wenn man sechs Wochen nebeneinander im Auto sitzt: Wir haben uns fürchterlich gezofft. So sehr, dass ich beschloss, sofort nach Hause zu fliegen und auf gar keinen Fall die Stadt meiner Träume mit diesem, diesem… verdammten Idioten zu betreten.
Mit 21 neigt man halt noch mächtig zum Drama– man weiß noch nicht, wie vergänglich so ein Sturm ist und wie unvergänglich dann das Bedauern, eine Gelegenheit zum Glück versäumt zu haben. Denn ich habe es erst jetzt, geschlagene 30Jahre später, endlich in die Stadt geschafft.
Und John? Mit dem hatte ich dann noch drei weitere Jahre eine stabile Fernbeziehung, die genau in dem Moment endete, als er nach Berlin versetzt wurde und sie wieder eine Nahbeziehung wurde. Klassiker. Seitdem haben wir uns aus den Augen verloren. Aber immerhin verdanke ich ihm drei Monate Südkorea und eine hartnäckige Liebe zu Amerika. Muss eigentlich mal herausfinden, was aus ihm geworden ist.
Anyway. San Francisco also. Nach all den Jahren. Ach, Ruth, ich bin ganz heftig verknallt in die Stadt. Vielleicht hätte sie mir damals gar nicht so gut gefallen, vielleicht muss man erst älter werden, um gewisse Dinge wirklich schätzen zu können. Und vielleicht bin ich gerade in diesem Weltreisejahr so entzückt von ihr, weil sie wirklich eine Weltstadt ist: der ganze Globus handlich komprimiert auf ein paar Quadratkilometern. Chinatown (mit mehr Chinesen als irgendwo sonst außerhalb von China), Japantown, Little Italy, French Quarter: Man muss nur ein paar Straßen weiter und ist sofort in einem anderen Land– und das in einer Stadt, die weniger Einwohner hat als Köln.
Ich habe zudem das Glück, wie eine Königin in einem verwunschenen Turm über all der Pracht zu leben: im Bellaire Tower in Russian Hill, einer schneeweißen Art-déco-Schönheit von 1930 mit einem uniformierten Concierge in der Eingangshalle und einem holzgetäfelten Aufzug, in dem ein alter Messing-Drehzeiger die Stockwerke anzeigt. Von hier aus kann man praktisch überallhin zu Fuß gehen. Ich war gleich am ersten Tag im City Lights Bookstore, im Caffe Trieste, an der Lombard Street, am Ghiradelli Square, auf eine Clam Chowder an der Bar von Sabella an der Fisherman’s Wharf mit Blick auf Alcatraz– alles erledigt, ich hätte eigentlich gleich wieder abreisen können. Scherz. Denn die Golden Gate Bridge fehlte mir noch.
Schon die Ankunft am Abend zuvor war großartig. Kaum war ich im Apartment, klingelte das Telefon.
» Hi, this is Carl«, sagte eine erstaunlich junge Stimme. » Ich weiß, es ist spät, aber haben Sie Lust, noch mal hochzukommen? Ich kann Ihnen ein bisschen was zur Wohnung sagen.«
Carl ist mein Vermieter. Er wohnt im 15. Stock, ihm gehört die ganze Etage. Außer in San Francisco lebt er in Wien und London, von dort war er am Nachmittag eingeflogen und direkt zu einem Empfang der schwedischen Botschaft gefahren. Am nächsten Tag wollte er einen Vortrag halten, am Wochenende weiterfliegen. Der Mann ist 87.
Und Du kennst ihn bestimmt, zumindest dem Namen
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