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Das große Los: Wie ich bei Günther Jauch eine halbe Million gewann und einfach losfuhr (German Edition)

Das große Los: Wie ich bei Günther Jauch eine halbe Million gewann und einfach losfuhr (German Edition)

Titel: Das große Los: Wie ich bei Günther Jauch eine halbe Million gewann und einfach losfuhr (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meike Winnemuth
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groß, um in ihrer Komplexität und Widersprüchlichkeit je ganz begriffen zu werden – das macht sie ja so attraktiv. Und so wird jeder seine eigene Version, seine eigene Lesart bestätigt finden.
    Beim Reisen ist es fast unvermeidlich, mit einer Idee eines Ortes im Kopf zu starten, mit ein paar groben Konturen, die sich dann nach und nach mit Farbe und Details füllen. Welche Details, diktiert der Zufall, aber natürlich auch die Erwartung und die gezielte Aufmerksamkeit. Das eine sieht man, das andere nicht. Wir sehen, was wir sehen wollen, weil wir uns vom anderen eine Bereicherung versprechen, ein Bedienen unseres eigenen Defizits. Ich würde mir nie einbilden, einen Ort wirklich zu kennen– das glaube ich ja noch nicht mal von Hamburg, und da lebe ich seit 20Jahren.
    Was mir in San Francisco wie in jeder Stadt hilft, auch mal einen anderen als meinen eigenen Blick auf meine Umgebung zu werfen, sind die Aufträge der Leser des SZ -Magazins , die mich diesmal in ein Bauchtanzstudio führten (dem ich nach einer Stunde Beckenwiegen & Zimbelspielen den ersten Hüft- und Handmuskelkater meines Lebens zu verdanken habe), zu einer Rolfing-Therapeutin, in eine Werkstatt für Bambus-Fahrräder und in das Straßenbahndepot, um nach den ausgemusterten Hamburger Straßenbahnwagen zu fahnden, die an San Francisco verschenkt wurden. Was ich nicht wusste, aber unglaublich liebenswert finde: Auf der Linie F, der Vorzeigestrecke von Fisherman’s Wharf über Embarcadero bis ins Castro, fahren ausschließlich historische Straßenbahnwagen aus den dreißiger bis fünfziger Jahren, unter anderem aus Mailand, Hiroshima, Zürich und Porto. Die aus Hamburg leider nicht, deren Spurbreite muss erst noch angepasst werden.
    Überhaupt würde ich nach den Erfahrungen der ersten sechs Monate behaupten: Fast alles, was man über eine Stadt wissen muss, kann man an ihrem Nahverkehrssystem ablesen.
    Sydney: Busfahrer, die während der Fahrt Jazz-Radio hören und von denen man sich beim Aussteigen verabschiedet.
    Buenos Aires: das blanke Chaos von Buslinien verschiedener Betreiber, bei denen man nie weiß, ob und wann und wohin sie fahren.
    Mumbai: qualvolle Enge in der Bahn und jede Menge achselzuckend hingenommene Todesfälle, weil die Leute notgedrungen außen am Wagen hängen.
    Shanghai: die Perfektion eines Bevormundungssystems, mit der einem das glänzend organisierte U-Bahn-System das Mitdenken abnimmt.
    Honolulu: Lautsprecherdurchsage aus dem anhaltenden Bus heraus: » Aloha. Welcome to bus line number 2 going to…«
    San Francisco: nostalgische Cable Cars, aber auch Hybrid-Busse, die mit Bio-Diesel betrieben werden, und alte Straßenbahnwagen aus aller Welt. Gestern und morgen, hier und dort, alles friedlich nebeneinander.
    So sehr ich es in diesem Jahr genieße, meiner eigenen Nase folgen zu dürfen, so sehr mag ich es auch, irgendwohin geschickt zu werden, wo ich allein nie hingegangen wäre. Es ist ein bisschen wie Radiohören, das ich hier in San Francisco auch wiederentdeckt habe: Im besten Fall bekommt man etwas erzählt, mit dem man nicht gerechnet hat, das einen aber augenblicklich entzückt oder fasziniert oder schlauer macht: Stammzellentherapie, Hackerangriffe, ein bis dahin unbekannter Autor…
    Etwas finden, was man nicht gesucht hat, darum geht’s beim Reisen wie im Leben (Verzeihung, wenn ich hier so klugscheiße). Wenn man erst mal begonnen hat, die selektive Wahrnehmung abzulegen, die Welt im Weitwinkel zu sehen und sich allem wieder unvoreingenommen zu nähern, ist plötzlich alles aufregend, alles interessant. Ich lerne wieder, die ganz einfachen Fragen zu stellen: Was ist das? Wie geht das? Warum macht ihr das so? Und ich stelle fest: Auf die einfachsten Fragen gibt es die besten Antworten.
    Besonders spannend wird es natürlich immer dann, wenn der Auftrag lautet, irgendeinen bis eben noch Fremden zu treffen. Die Fotografin Pamela, Brieffreundin einer Leserin, nahm mich zum Beispiel zu einem Treffen von Mail Artists mit, Leuten, die aus purer Lust am Briefeschreiben die schönsten Kunstwerke durch die Welt schicken: selbst gemalte Postkarten, liebevoll gestaltete Umschläge. Pamela schreibt sich mit etwa 100Brieffreunden weltweit. » Natürlich geht dabei viel Zeit und viel Geld drauf«, sagt sie. » Aber die Befriedigung ist unbezahlbar.«
    Beim Treffen wurden Ideen und Materialien ausgetauscht, viele Mailer trafen sich zum ersten Mal im wahren Leben– eine warme, verschrobene, liebenswerte Gruppe von Leuten.

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