Das große Los: Wie ich bei Günther Jauch eine halbe Million gewann und einfach losfuhr (German Edition)
Hand.) Mit dem Teebecher in einen Nebentrakt ziehen und sich auf der Veranda in einen Schaukelstuhl setzen. Durch den Garten hindurch aufs Meer gucken. Schaukeln. Tee trinken. Nach einer halben Stunde nach Hause gehen. Duschen, den Tag beginnen, ein bisschen arbeiten.
Und zwar schön langsam arbeiten, bloß nicht effektiv. Ich surfe viel hier auf dieser Surferinsel– im Internet. Ich habe zum Beispiel Stunden meines kostbaren hawaiianischen Lebens darauf verwendet, herauszufinden, welchen Wein man am besten zu geröstetem Meerschweinchen trinkt (einen fruchtigen weißen Chateauneuf-du-Pape), und zu beweisen, dass langhaarige hellblonde Männer im Film immer böse sind (Lucius Malfoy, die Zwillinge in Matrix , diverse russische Profikiller…). Warum? Nur so. Ich spiele mit Ideen, und nicht alle sind gut. Müssen sie auch nicht. Ich genehmige mir das einfach: den Spaß an der zufälligen Entdeckung. Das Glück des Zweckfreien. Das Spazierengehen im eigenen Kopf. Ich bücke mich gerade nach wirklich jeder Muschel, wer sollte es mir verbieten? Ich darf absolut alles. Zwei Nachmittage habe ich mich einfach aufs Sofa gelegt und bei geschlossenen Vorhängen die Abschiedsshows von Oprah Winfrey angeguckt. Herrlich! Nachmittags fernsehen! Bei Sonne! In Hawaii! Gipfel der Dekadenz, es war wunderbar.
Gelegentlich gehe ich zwischendurch noch mal an den Strand und hänge der Statue von Duke Kahanamoku, dem Freund von Doris Duke, einen Blumenkranz um. Man muss eine Stadt lieben, die Surfern ein Denkmal baut.
Abends bin ich oft im Halekulani Hotel, um Kanoe Miller den Hula tanzen zu sehen. Google die bitte mal, Anne, Fotos sind sinnlos, man muss ein Video sehen. Ms. Miller ist 55, immer noch eine hinreißend schöne Frau. 1973 war sie Miss Hawaii, seit 34Jahren tanzt sie von Montag bis Samstag zur Cocktailstunde in der Outdoor-Bar House Without a Key direkt vor der untergehenden Sonne. Es ist zum Sterben kitschig und zum Sterben schön, jeder Widerstand ist zwecklos. Sie hat etwas so unerschütterlich Liebliches an sich, dass man einfach die Waffen strecken muss. Ich sitze da, gucke ihr zu, trinke einen Planter’s Punch und habe nicht einen bösen Gedanken in mir.
Samstags dann auf den Farmer’s Market zu Füßen von Honolulus Hausberg Diamond Head. Man hatte mir vor meinem ersten Besuch geraten, unbedingt ungefrühstückt dorthin zu gehen. Ein guter Rat, denn: frischer Ananassaft, dazu Leinsamen-Karotten-Ananas-Hafer-Muffins, gefolgt von einem Ingwer-Minz-SerranoChili-Limonen-Drink, dann zwei gegrillte Abalonen (für die ich in Shanghai das Zehnfache gezahlt hätte)– und das war nur der erste Gang. Man möchte auf Knien über diesen Markt robben, denn hier wird einem klar, was für ein gesegnetes Land Hawaii ist: frische Shrimps aus Kauai, Kaffee aus Kona, Muskatnüsse und Vanilleschoten aus Paauilo, fünf Jahre in der Wabe gereifter Honig von Wildbienen, die ersten heimischen Mango und natürlich Ananas und Papaya bis zum Abwinken. Vielleicht noch eine frische junge Kokosnuss zum Dessert und selbst gebackenen Pecan Crunch? Oder ein Ono-Pop-Eis in der Geschmacksrichtung Surinamkirsche-Nelke oder Orange-Zimt oder Kalamansi-Koriander oder… Wochenmarkt im Paradies. Ich denke an die deutschen Märkte mit ihren Steckrüben und Kartoffeln und möchte weinen.
Und so vergehen die Tage bei aller Gemächlichkeit schrecklich schnell. Und ich kann sie nicht festhalten und seufze viel und werde zwischendrin ganz schlimm melancholisch angesichts all der Schönheit und der Tatsache, dass ich sie schon so bald wieder verlassen muss. Heute morgen hatte ich folglich meine erste richtige Reisekrise in diesem Jahr– halt, in Mumbai hatte ich schon mal eine, weil ich es dort so schrecklich fand. Diese hier ist schlimmer.
Der Mann stand so da, als ich in aller Herrgottsfrühe den Strand von Hunakai entlangging, und schaute aufs Meer, seinen Hund neben sich. Ich nickte ihm zu, er nickte zurück. Als ich eine Viertelstunde später zurückkam, stand er immer noch an der gleichen Stelle, in der gleichen Haltung, ganz still.
Und ich stellte mir vor: Der kommt bestimmt jeden Tag hierher, er hat vielleicht ein Haus in der Nähe. Er geht jetzt heim und frühstückt im Garten. Und abends geht er noch mal mit dem Hund raus, wieder hierher. Und morgen wieder.
Der hat ein richtiges Leben, dachte ich, und ich bin überall nur auf der Durchreise, ohne irgendwohin zu gehören. Ich bin jetzt fünf Monate unterwegs, Sydney, Buenos Aires, Mumbai,
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