Das große Los: Wie ich bei Günther Jauch eine halbe Million gewann und einfach losfuhr (German Edition)
nach: Carl ist Professor Dr. Carl Djerassi, der Vater der Antibabypille, einer der berühmtesten Chemiker der Welt. Professor in Stanford mit 21Ehrendoktorwürden, außerdem Autor mehrerer Romane und Theaterstücke und Besitzer einer der größten Paul-Klee-Sammlungen der Welt; sie hängt im San Francisco Museum of Modern Art.
Dass ich jetzt in seinem Gästeapartment wohne, ist reiner Zufall. Ich hatte vor zwei Monaten auf der Suche nach einer Wohnung in London auf der Website » Sabbatical Homes« eine entdeckt, die mir gefiel. Vermieter: Carl Djerassi.
Ungläubig mailte ich ihn an: » Sind Sie der Carl Djerassi?«
Er schrieb grantelnd zurück: » Ich bin Carl Djerassi, ich weiß nicht, ob der.«
Wir mochten uns trotzdem schnell, und als er auf meinem Blog entdeckte, dass ich auch nach San Francisco kommen würde, bot er mir seine Gästewohnung in einem der unteren Stockwerke an. Die habe er bislang noch nie vermietet, es sei ein Versuch, sagte er.
Natürlich fuhr ich gleich hoch zu ihm. Ein kleiner Mann mit weißen Locken und scharfen wachen Augen, immens charmant. Er hat seit einem Skiunfall ein steifes Bein, ist aber einer der fittesten Männer, die ich kenne, er geht jeden Morgen zu seinem Trainer ins Fitnessstudio. Du würdest ihn mögen, Ruth, Ihr seid vom selben Schlag. Dieselbe Neugier und Abenteuerlust– und für mich die besten Beispiele dafür, dass man alt werden und jung bleiben kann. In dieser Hinsicht bist und bleibst Du mein großes Vorbild: die pensionierte Staatsanwältin in ihren roten Chucks, ihrem Loft an der Brooklyn Bridge, ihren Guerilla-Gardening-Projekten… Genau so geht das, habe ich immer gedacht und mich auf mein eigenes Altwerden gefreut.
Und wenn ich dann mal so weit bin, will ich einen Kerl wie Carl. Wir sind gleich am nächsten Abend zum Essen ins Zuni Café gefahren und haben uns dort ein Hühnchen mit Brotsalat und eine Flasche Wein geteilt. Heißer Typ, auch wenn man das über 87-jährige vielleicht nicht sagen sollte. Sag Bescheid, wenn ich Euch verkuppeln soll.
Nach einem Monat Delirium in Hawaii ist San Francisco für mich wie ein Nebelhorn. Ich fühle mich hellwach, wie frisch aufgeladen, und keuche vergnügt die steilen Straßen hinauf und hinunter (mit 30-prozentigen Steigungen! Für mich als Flachlandbewohnerin eine Hochgebirgserfahrung mitten in der Stadt). Ich liebe den Wind und die Kühle, den Blick über die Bucht, die viktorianischen Häuser… einfach alles. San Francisco ist morgens oft diesig, und auch das passt mir ganz gut. Dieses sanfte Hineingleiten in den Tag, ohne dass einen die Sonne aus dem Bett prügelt, das deckt sich ganz und gar mit meinem Biorhythmus.
Nach zwei Tagen dachte ich: Ich will hier leben, für immer. Besser kann’s gar nicht kommen. Und ja, ich weiß, das ist Verrat an unserem Brooklyn, das für mich bis jetzt immer der lebenswerteste Ort der Welt war.
Du hast mich damals ja gefragt, ob ich nicht einfach für immer nach New York ziehen wollte, so glücklich, wie ich da war. Damals habe ich noch gezögert: Kann man sich Heimat einfach so aussuchen? Gibt es nicht Bindungen, die unverhandelbar sind, die man in den Knochen hat? Ich habe darauf noch keine endgültige Antwort. Mein Zwischenstand ist (und durch diese Reise sogar noch mehr): Heimat ist nicht da, wo man geboren ist, sondern wo man begraben werden will.
Wieso fühle ich mich in San Francisco nur so wohl? Ich habe viel darüber nachgedacht. Das Gefühl des Instant-Zuhauses hat natürlich, ebenso wie im Fall von New York, viel damit zu tun, dass man die Stadt schon kennt, ohne je da gewesen zu sein. Aus Hunderten von Filmen und Fernsehserien, aus Büchern und Songs– so wie Dir als Amerikanerin Paris geläufig ist. Kommt man dann tatsächlich in so eine fiktiv gekannte Stadt, ist man plötzlich der Star des eigenen Lieblingsfilms, ein berauschend irreales Gefühl. Wiedererkennen, was man noch nicht kannte, blind vertraut sein mit dem Neuen– es ist wie Verliebtsein. Ein großes Ja, von dem man nicht weiß, wer es spricht.
Das Verrückte ist, dass es im Fall von San Francisco aber nicht nur für die Stadt als Kulisse gilt, sondern auch für seine Bewohner, die mir auf seltsame Weise nah sind wie alte Kieznachbarn– oder eben wie Figuren eines Films, den ich schon ein Dutzend Mal gesehen habe. Wenn ich im Caffe Trieste sitze, der Heimat der Beat Poets in North Beach, dann erscheinen mir die Leute an den anderen Tischen, als hätte sie jemand erfunden: neben mir Marcello,
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