Das grosse Maerchenbuch - 300 Maerchen zum Traeumen
versprechen müssen, und darum wäre er immer so traurig gewesen; er wollte sie auch trösten, und sagte ihr von dem großen Reichtum, den sie dafür bekommen würden, die Königin wollt aber nichts davon wissen und sprach, ihr einziges Kind sei ihr lieber gewesen, als alle Schätze der Welt. Während der Wallfischprinz die Prinzessin geraubt, hatten seine Diener drei mächtige Säcke in das Schloss getragen, die fand der König an der Tür stehen, und als er sie aufmachte, waren sie voll schöner großer Zahlperlen, so groß, wie die dicksten Erbsen. Da war er auf einmal wieder reich und reicher, als er je gewesen; er löste seine Städte und Schlösser ein, aber das Wohlleben fing er nicht wieder an, sondern war still und sparsam und wenn er daran dachte, wie es seinen drei lieben Töchtern bei den wilden Tieren ergehen mögte, die sie vielleicht schon aufgefressen hätten, verging ihm alle Lust.
Die Königin aber wollt sich gar nicht trösten lassen und weinte mehr Tränen um ihre Tochter, als der Wallfisch Perlen dafür gegeben hatte. Endlich wards ein wenig stiller, und nach einiger Zeit ward sie wieder ganz vergnügt, denn sie brachte einen schönen Knaben zur Welt und weil Gott das Kind so unerwartet geschenkt hatte, ward es Reinald, das Wunderkind, genannt. Der Knabe ward groß und stark, und die Königin erzählte ihm oft von seinen drei Schwestern, die in dem Zauberwald von drei Tieren gefangen gehalten würden. Als er sechszehn Jahr alt war verlangte er von dem König Rüstung und Schwert, und als er es nun erhalten, wollte er auf Abenteuer ausgehen, gesegnete seine Eltern, und zog fort.
Er zog aber geradezu nach dem Zauberwald und hatte nichts anders im Sinn als seine Schwestern zu suchen. Anfangs irrte er lange in dem großen Walde herum, ohne einem Menschen oder einem Tiere zu begegnen. Nach drei Tagen aber sah er vor einer Höhle eine junge Frau sitzen und mit einem jungen Bären spielen: einen andern, ganz jungen, hatte sie auf ihrem Schoß liegen: Reinald dachte, das ist gewiss meine ältste Schwester, ließ sein Pferd zurück, und ging auf sie zu: „liebste Schwester, ich bin dein Bruder Reinald und bin gekommen dich zu besuchen.“ Die Prinzessin sah ihn an, und da er ganz ihrem Vater glich, zweifelte sie nicht an seinen Worten erschrack und sprach: „ach liebster Bruder, eil und lauf fort, was du kannst, wenn dir dein Leben lieb ist, kommt mein Mann, der Bär, nach Haus und findet dich, so frisst er dich ohne Barmherzigkeit.“ Reinald aber sprach: ich fürchte mich nicht und weiche auch nicht von dir, bis ich weiß, wie es um dich steht. Wie die Prinzessin sah, dass er nicht zu bewegen war, führte sie ihn in ihre Höle, die war finster und wie eine Bärenwohnung; auf der einen Seite lag ein Haufen Laub und Heu, worauf der Alte und seine Jungen schliefen, aber auf der andern Seite stand ein prächtiges Bett, von rotem Zeug mit Gold, das gehörte der Prinzessin. Unter das Bett hieß sie ihn kriechen, und reichte ihm etwas hinunter zu essen. Es dauerte nicht lang so kam der Bär nach Haus: „ich wittre, wittre Menschenfleisch“ und wollte seinen dicken Kopf unter das Bett stecken. Die Prinzessin aber rief: „sei ruhig, wer soll hier hinein kommen!“ „Ich hab ein Pferd im Wald gefunden und gefressen“ brummte er, und hatte noch eine blutige Schnauze davon, „dazu gehört ein Mensch und den riech ich“ und wollte wieder unter das Bett. Da gab sie ihm einen Fußtritt in den Leib, dass er einen Burzelbaum machte, auf sein Lager ging, die Tatze ins Maul nahm und einschlief.
Alle sieben Tage war der Bär in seiner natürlichen Gestalt und ein schöner Prinz, und seine Höhle ein prächtiges Schloss und die Tiere im Wald, waren seine Diener. An einem solchen Tage hatte er die Prinzessin abgeholt; schöne junge Frauen kamen ihr vor dem Schloss entgegen, es war ein herrliches Fest und sie schlief in Freuden ein, aber als sie erwachte, lag sie in einer dunkeln Bärenhöle und ihr Gemahl war ein Bär geworden und brummte zu ihren Füßen, nur das Bett und alles was sie angerührt hatte, blieb in seinem natürlichen Zustand unverwandelt. So lebte sie sechs Tage in Leid aber am siebenten ward sie getröstet, und da sie nicht alt ward und nur der eine Tag ihr zugerechnet wurde, so war sie zufrieden mit ihrem Leben. Sie hatte ihrem Gemahl zwei Prinzen geboren, die waren auch sechs Tage lang Bären und am siebenten in menschlicher Gestalt. Sie steckte sich jedesmal ihr Bettstroh voll von den
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