Das grosse Maerchenbuch - 300 Maerchen zum Traeumen
fahren.“ Dasselbe sagte er später auch den andern Bedienten, welche ihn darüber verspotteten und sprachen: „Ein Narr wird den andern wohl fortbringen.“
Als es gegen zwölf Uhr ging, schlich sich mein Stiefelputzer in das Zimmer der Prinzessin, stopfte seine Taschen voll Gold und Geld, fasste dann rasch das arme Mädchen in ihren Decken und lief mit ihr Hals über Kopf die Treppe hinab auf den Hof, wo der Wagen schon stand. Ehe er aber noch aus dem Schlafzimmer war, rief die Prinzessin: „Hülfe, Mutter, Hülfe!“ „Was ist dir mein Kind?“ frug die Königin erschrocken. „Ach, Hinkelbrüh, Hinkelbrüh!“ schrie die Prinzessin. „Die kann es nicht sein,“ sprach die Königin, „die Hinkelbrühe war kräftig und ist dir gesund,“ denn sie dachte an die Hinkelbrühe, welche am Mittag gegessen worden war. Als sie aber aufstand und in das Schlafzimmer der Prinzessin kam, war das Bett leer. Sie lief ans Fenster, da sah sie wie der Stiefelputzer ihre Tochter in den Wagen legte und dem Kutscher winkte fortzufahren. „Hülfe“ schrie sie, „Gestern hat die Prinzessin geraubt.“ „Was tobst du nur,“ rief der König, der jetzt auch erwachte, „gestern war sie ja bei uns bis spät Abends.“ Als er aber aufstand und ans Fenster zu seiner Frau trat, da schrie er gleichfalls: „Herbei, zu Hülfe, Vorgestern hat meine Tochter entführt!“ Da stürzten die Diener hinzu, liefen Treppen auf, Treppen ab und suchten den Vorgestern. Auf dem Hof wünschten sie dem Heute noch eine gute Reise mit der narrigen Kammerjungfer, denn je mehr die Prinzessin sich sträubte und schrie, um so mehr lachten sie über ihn und sprachen: „Seht nur, wie narrig sie ist, der wird Not mit ihr haben.“ Mein Stiefelputzer fuhr aber was gibst du, was hast du auf der Landstraße dahin und ruhte nicht, bis er jenseits der Grenze war. Dort miethete er sich ein prächtiges Haus, kaufte sich und der Prinzessin herrliche Kleider und wusste sich bald so bei ihr in Gunst zu setzen, dass sie meinte, sie könne nicht ohne ihn leben.
Der König und die Königin grämten sich unterdessen sehr um ihre einzige Tochter und ließen dem Stiefelputzer große Summen anbieten, wenn er sie zurück nach Hause lassen wolle; er ließ ihnen aber wieder sagen, sie käme nur heim, wenn sie ihn Heirathe. Was blieb da übrig? Die Eltern gaben ihre Einwilligung Notgezwungen, die Prinzessin aber von Herzen gern, denn sie gewann ihn mit jedem Tage lieber und zudem hätte sie ja schwerlich noch einen Prinzen zum Manne bekommen, nachdem sie so lange bei dem Stiefelputzer gelebt hatte.
Von einem Pfarrer, der allzu kräftig predigte
Es war einmal ein Bauer, der war so dumm, dass er sein eignes Haus im Orte nur daran kannte, dass ein Kirschbaum vor der Thür stand. Jeden Morgen, wenn er aufs Feld zur Arbeit ging, gab seine Frau ihm ein Stück Brot, damit musste er umspringen bis zum Abend. Kam einmal ein armer Handwerksbursche daher und bat ihn um ein Almosen: „Ich habe nur ein Stück Brot, da ist es,“ sprach der Bauer, „aber im Orte steht ein Haus und davor ein Kirschbaum, da wohne ich; gehe dahin und lass dir mehr geben, meine Frau ist zu Hause.“ Der Handwerksbursche, welcher ein Schneider seines Zeichens war, ging in das Dorf, suchte das Haus und sagte der Frau, ihr Mann habe ihn zu ihr geschickt und sie solle ihm etwas geben. Da gab sie ihm vollauf, denn er war ein schöner Mensch und gefiel ihr. Sie klagte ihm, wie sie mit ihrem dummen Manne so übel dran sei und von Herzen wünsche, von ihm erlöst zu werden. „Ei das ist nichts leichter,“ sprach der Schneider, „wenn du mich heiraten willst, will ich alles Uebrige schon in Ordnung machen.“ Das garstige Weib freute sich zu sehr, als es das hörte, fiel dem Schneider um den Hals und rief ein über das anderemal: „Ach was bin ich für eine glückliche Frau!“ „Gib mir vor allem die Säge,“ sprach der Schneider „und geh mit vor die Haustür.“ Das geschah und da sägten sie den Kirschbaum unten an der Wurzel ab und schleiften ihn in die Scheune. „Jetzt sind wir geborgen,“ sprach der Schneider, „nun lass uns lustig leben.“ Da hausten die Beide mit des Bauern sauer verdientem Geld, dass es eine Schande war; Wein und Braten konnte nicht alle werden.
Als der Bauer auf dem Felde mit seiner Arbeit fertig war, trieb er mit seinen Kühen nach dem Dorfe zurück. Da suchte er die Straße hinauf, die Straße hinab nach dem Haus mit dem Kirschbaum davor, aber er fand es nicht und fand
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