Das grosse Muminbuch
Licht erreichen konnte.
Das Licht war jetzt hinter den Inseln verschwunden, doch sie wusste, dass es dort war. Wenn es ausging, bevor sie es erreicht hatte, so machte das nichts. Sie konnte warten. Sie würden ein neues Licht anzünden, an einem anderen Abend. Das taten sie immer, früher oder später.
Der Muminvater steuerte. Er hielt das Steuer fest in seiner Pfote, umarmte es in heimlichem Einvernehmen, und fand, er habe sich nichts vorzuwerfen. Seine Familie war genauso klein und hilflos wie in der Glaskugel, und er führte sie sicher und geborgen über das große Meer durch die blaue, schweigende Nacht. Das Sturmlicht zeichnete ihren Weg, als ob der Vater eine leuchtende entschlossene Linie quer über die Karte gezogen und gesagt hätte: von hier nach dorthin. Dort werden wir wohnen. Dort dreht sich die Erde um meinen Leuchtturm, stolz und aufrecht, und ringsumher liegt das Meer.
Ihr friert hoffentlich nicht, rief er fröhlich. Du hast doch die Decke umgelegt? Seht ihr, wir haben die letzte Insel hinter uns gelassen. Bald ist es stockdunkel. Es ist sehr schwierig, nachts zu segeln, man muss jede Sekunde auf der Wacht sein.
Natürlich, Liebling, sagte die Mutter, die sich im Heck zusammengerollt hatte. Dies ist wirklich ein großes Erlebnis.
Die Decke war ein bisschen nass geworden, und sie rückte vorsichtig nach oben auf die Luv. Die Spanten waren ihren Ohren die ganze Zeit im Wege.
Die Kleine My saß am Bug und summte eintönig vor sich hin. Mutter, flüsterte Mumintroll. Wie kommt es, dass sie so böse ist?
Wer?
Die Morra. Hat ihr jemand etwas getan, dass sie so geworden ist?
Das weiß niemand, sagte die Mutter und zog den Schwanz aus dem Kielwasser herauf. Es ist sicher eher so, dass ihr eben niemand etwas getan hat. Ich meine, niemand hat sich um sie gekümmert. Und daran erinnert sie sich kaum, und sie geht auch nicht umher und denkt darüber nach. Sie ist wie der Regen oder die Finsternis oder wie ein Stein, den man umgehen muss, um weiterzukommen. Möchtest du ein bisschen Kaffee trinken? Die Thermosflasche liegt im weißen Korb.
jetzt nicht, sagte Mumintroll. Sie hat kleine gelbe Augen und die sind starr wie bei einem Fisch. Kann sie sprechen?
Die Mutter seufzte und sagte, man soll mit einer Morra gar nicht sprechen. Nicht mit ihr reden und nicht über sie reden. Sonst wächst sie und folgt einem. Du musst jetzt nicht anfangen, sie zu bedauern. Du meinst, sie sehnt sich nach allem, was brennt. Sie will sich aber nur draufsetzen, damit es ausgeht und nie mehr brennen kann. Und jetzt will ich ein wenig schlafen.
Herbstliche, mattblinkende Sterne waren hervorgekommen. Mumintroll lag auf dem Rücken und betrachtete die Sturmlaterne. Aber er dachte an die Morra.
Wenn man nie mit einem spricht und niemals über ihn spricht, so muss derjenige ja allmählich zu Nichts werden, er weiß nicht einmal bestimmt, ob er überhaupt existiert.
Er überlegte, ob ein Spiegel helfen könnte. Mit einer Menge Spiegel konnte man viele werden, von vorn und von hinten und vielleicht konnte man sogar miteinander reden. Vielleicht...
Es war ganz still, nur das Senkruder knarrte sacht. Jetzt schlafen sie alle, der Vater war mit seiner Familie ganz allein. Er war hellwach, wacher als er es bisher jemals gewesen war.
Weit von ihnen entfernt, gegen Morgen, entschloss sich die Morra zum Aufbruch. Die Insel unter ihr war schwarz und durchsichtig mit einem scharfen Bugspriet aus Eis, der genau nach Süden wies. Der Sandstrand glitt unter ihr weg. Sie raffte ihre dunklen Röcke zusammen, die um sie herumhingen wie die Blätter einer verblühten Rose, sie öffneten sich und raschelten, sie erhoben sich gleich Flügeln, und damit begann die langsame Fahrt der Morra über das Meer.
Die Röcke flogen nach oben, nach außen und nach unten, wie Schwimmstöße in der gefrorenen Luft, das Wasser floh in entsetzten Wellen, die aussahen, als hätten sie Gänsehaut, und dann glitt die Morra in der Morgendämmerung langsam weiter mit einem Schweif von Schneerauch im Kielwasser. Gegen den Horizont sah sie aus wie eine große schwankende Fledermaus. Es ging langsam und mühsam, aber es ging. Sie hatte Zeit. Sie hatte nichts anderes als Zeit.
Die Familie segelte bis zum Morgen und den ganzen nächsten Tag, und dann wurde es wieder Nacht, und immer noch saß der Vater am Steuer und wartete darauf, dass sein Leuchtturm in Sicht kam. Aber die Nacht war nur blau, am Horizont blitzte kein Leuchtfeuer auf.
Der Kurs ist richtig.
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