Das Große Spiel
Kutsche nahm daraufhin eine Abzweigung. Der Weg führte sie zu einem kleinen See.
Jenseits des Gewässers lag ein herrschaftliches Anwesen mit einem französischen Garten.Taillierte Hecken mit Pyramidenbrunnen, Meerjungfrauen aus vergoldetem Blei. Überall schossen, von Fackeln erleuchtet, Wasserfontänen aus den Schnäbeln von Schwänen, die von kleinen Kindern aus Marmor geritten wurden. Als sie vor dem Hauptportal ankamen, bestiegen gerade bewaffnete Männer ihre Pferde und preschten los. Sie trugen keine Uniformen. Es mussten Ramsays Leute sein. Die Kutsche hielt. Diener eilten herbei. Man öffnete die Kutschentür.
John warf Catherine einen kurzen Blick zu: »In einer Stunde bin ich wieder da.« Er öffnete die kleine Reisetasche, die ihm William mitgegeben hatte, und entnahm ihr zwei schwere Ledersäcke. Während er eilig an den verdutzten Dienern vorbeischritt, wog er die beiden Geldsäcke in den Händen und rief: »John Law of Lauriston. Melden Sie Mr Andrew Ramsay meine Ankunft.«
John Law durchschritt die im neugotischen Stil verzierte Eingangshalle. Gemalte Ritterwappen an der Decke, historische Schwerter an den Stützpfeilern. John nahm den breiten Gang zur Linken. Hier waren die Wände mit rot-weißem Damast mit chinesischen Motiven -Tänzer und Musiker - ausgeschlagen.
»John Law of Lauriston«, frohlockte Andrew Ramsay, als ihm John Law im roten Salon entgegeneilte und gezielt den einzigen Pharao-Tisch im Saal ansteuerte.
»Lassen Sie uns spielen, Mr Ramsay, meine Zeit ist knapp bemessen.«
Die Gäste am Spieltisch wichen respektvoll zurück. Einige erhoben sich von den Stühlen, freundlich und zuvorkommend. Der Bankhalter erhob sich beflissen und verbeugte sich. John Law nahm sofort seinen Platz ein und legte die beiden Geldbeutel auf den Tisch.
»Ich hörte«, wandte John sich an die Umstehenden, »ich hörte, Mr Andrew Ramsay wollte ein Vermögen ausgeben, um mich ausfindig zu machen. Als Gentleman war es meine Pflicht, ihm diese Ausgaben zu ersparen und selbst hierher zu kommen - und ihm dieses Vermögen am Spieltisch abzunehmen.«
Die Gäste lachten leise, einige hüstelten verlegen, die Damen fächerten sich frische Luft zu. Einige bemühten Duftwässerchen, um eine bevorstehende Ohnmacht zu verhindern. Mr Andrew Ramsay strahlte wie ein Kind, das sein liebstes Spielzeug wiedergefunden hatte. Er setzte sich John Law gegenüber an den Tisch, während ihm ein eilig herbeigerufener Diener ein mit Goldmünzen beladenes Silbertablett brachte.
»Sie sind wahrlich ein Gentleman, Mr Law of Lauriston«, gluckste Ramsay und rieb sich mit den Fingerspitzen verlegen die Wangen. Sein Gesicht glühte.
»Spielen wir um alles?«, rief Mr Andrew Ramsay und genoss die laute Bestürzung, die sich unter seinen Gästen breit machte.
»Alles ist wie viel?«, fragte John Law mit ruhiger Stimme. Routiniert stapelte er seine Goldjetons vor sich auf den Tisch.
»Alles bedeutet«, Mr Andrew Ramsay warf die Hände in Luft, »alles bedeutet, dass wir heute Abend keine Grenzen kennen. Es gibt keine Grenzen.«
Im Saal war es plötzlich totenstill. Alle starrten auf John Law.
»Wie Sie wollen. Wir spielen genau eine Stunde, und es gibt keine Grenzen.« Mit einem aufreizenden Seufzer sank eine junge Dame in sich zusammen. Ein älterer Herr fing sie auf. Man reichte ihr Riechsalz. Ein Diener eilte mit einer kalten Kompresse herbei. Einige fielen sich um den Hals und versuchten sich zu trösten, denn der Gedanke, dass möglicherweise einer der beiden Herren am Tisch in einer Stunde alles verloren haben würde, brachte sie gehörig in Wallung.
Fernab der blutrünstigen Schlachtfelder Europas und der vor Hunger und Elend darbenden Landbevölkerung genossen im abgelegenen Edinburgh ein paar Edelleute die Aufregung und Spannung einer Partie Pharao.
Catherine verließ die Kutsche und vertrat sich die Beine an der frischen Luft. Sie sah, dass im linken Flügel Lichter brannten. Manchmal hörte sie aufgeregte Stimmen aus dem Saal kommen, ab und zu einen Schrei des Entsetzens, ein unterdrücktes Raunen, dann wieder Ruhe. Ein Reiter näherte sich. Er schien es nicht sonderlich eilig zu haben. Jetzt sah Catherine seine Silhouette am Ende der Gartenanlage. Er trug einen schweren Reiseumhang. Vor dem Portal stieg er von seinem Pferd. Catherine konnte nicht hören, was er den Dienern sagte. Aber sie sah, dass sie ihm den Zutritt verweigerten. Ein Diener kam eilig auf Catherine zu. Sie war vor dem hell erleuchteten
Weitere Kostenlose Bücher