Das Große Spiel
Saal, so, als hätten alle Anwesenden gleichzeitig ihrer Verzweiflung eine Stimme gegeben.
»Rouge, sept, impair et passe perd.« John Law legte eine zweite Karte offen: »La dame noire gagne.«
Mit diesen Worten war Mr Andrew Ramsay ruiniert. Für einen Augenblick schien die Zeit stillzustehen. Nichts rührte sich im Saal.
»Ich ... ich kann Sie nicht auszahlen, Mr Law«, stammelte er. »Kein Mensch in Edinburgh verfügt über derart viel Bargeld.«
John Law nahm die beiden Dokumente, die sie vor Beginn der Partie unterzeichnet hatten, und trug die Schuld von tausendzweihundert Pfund ein. Er reichte die Papiere Mr Ramsay, der sie ratlos anstarrte. Schließlich unterzeichnete er.
»Tausendzweihundert Pfund, das ist der Wert dieses Anwesens, Mr Law. Wären Sie damit befriedigt?«
John Law nickte. Unter den gebannten Blicken der faszinierten Gäste überschrieb Mr Andrew Ramsay sein Anwesen John Law of Lauriston. »Bis wann möchten Sie den Besitz geräumt haben?«, fragte Mr Ramsay und reichte John das Dokument zurück.
»Ich würde mich freuen, Sie als Mieter behalten zu dürfen. Besprechen Sie die Details mit meinem Bruder William. Er kümmert sich um meine Angelegenheiten in Edinburgh.«
John Law schnürte seine beiden Goldsäcke zu und erhob sich vom Tisch. Er verneigte sich tief: »Ladies und Gentlemen ...«
Mit eiligen Schritten verließ John das Gebäude, eilte die Treppen zum Vorplatz hinunter und öffnete die Tür der Kutsche. Er erstarrte. Er sah Catherine, die den Lauf einer Pistole auf einen Mann gerichtet hielt. Dann erkannte er Captain Wightman. John sah sich um, dann stieg er zu den beiden in die Kutsche.
»Wir unterhalten uns gerade über Philosophie«, sagte Catherine und lächelte John an. John gab dem Kutscher das Zeichen zur Abfahrt. »Meine Frage ist: Kann der Philosoph mit der Propagierung von Tugenden den Egoismus des Individuums eindämmen?«
John Law drückte dem verdutzten Wightman die beiden Goldsäcke in die Hände: »Er kann wahrscheinlich die Konversation in den Salons bereichern, aber nicht den Menschen bekehren. Sagte nicht Spinoza, dass der Nutzen das Mark und der Nerv aller menschlichen Handlungen sei?«
John Law nahm Catherine die Waffe ab: »Ihre Hand ist gewiss müde geworden. Und während wir das Gewicht des Goldes in den Händen von Captain Wightman wirken lassen, nehme ich Ihnen diese schwere Waffe ab.«
»So schwer ist sie auch wieder nicht«, sagte Catherine, »sie ist ja nicht geladen.«
Sie schob die Pistole wieder in ihren Handwärmer und entschuldigte sich bei Wightman: »Ich hoffe, Sie haben Sinn für Humor.« Und an John gewandt: »Captain Wightman möchte den Verwandten des verstorbenen Beau Wilson ein finanzielles Angebot unterbreiten.«
»Das hat er doch bereits in der Tasche«, scherzte John Law, »mit wie viel möchten die ehrenwerten untröstlichen Verwandten des verstorbenen Beau Wilson ihren Verzicht auf die Vollstreckung des Todesurteils abgegolten haben?«
Captain Wightman dachte fieberhaft nach.
»Machen Sie mir bitte nichts vor, Captain Wightman. Das würde mich derart erzürnen, dass ich Sie gleich zum Duell auffordern würde. Ein Spieler ist es gewohnt, Gesichter zu lesen. Ich habe Ihres gelesen. Nennen Sie mir die Summe, die Ihnen die Angehörigen empfohlen haben.«
John Law nahm ihm die beiden Säcke wieder ab. Captain Wightman griff in die Innentasche seines Mantels und holte ein versiegeltes Schreiben hervor.
John Law überflog das Schreiben. Dann überreichte er Wightman den einen Geldsack und nahm einige Goldmünzen aus dem zweiten.
»Damit wäre die Sache erledigt«, sagte John Law und legte noch eine weitere Münze hinzu, »für Ihr Pferd, das Sie bei Mr Ramsay zurückgelassen haben. Für den Fall, dass es vor Kummer stirbt.«
»Die Familie Wilson wird nicht mehr auf eine Vollstreckung beharren und den Auftrag zurücknehmen«, hielt Wightman fest, »aber das Todesurteil bleibt bestehen, darauf hat die Familie Wilson keinen Einfluss, und ich hoffe, dass Königin Anne Sie trotzdem hängen lässt.«
»Einen Law muss man frühzeitig aufhängen, wartet man zu lange, ist er bereits zu bedeutend.«
Kapitel X
HOLLAND, 1705
Als John Law und Catherine Knollys nach einer stürmischen Überfahrt das holländische Festland erreichten, waren die europäischen Staaten wieder einmal damit beschäftigt, ihr letztes Münzgeld in einen weiteren blutrünstigen Krieg zu investieren, der sich mittlerweile von Holland bis nach Italien
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