Das Große Spiel
angetrauten Rebecca und der inzwischen vierundfünfzigjährigen Janine nach Paris gereist, um vom Ruhm seines Bruders zu profitieren. Nach mehreren Briefwechseln hatte John Law schließlich eingewilligt, seinen Bruder William bei sich in Paris aufzunehmen und ihm eine wichtige Stellung in der Bank anzuvertrauen. Jetzt saß er da, der kleine Bruder, und schien immer noch gekränkt, weil ihn John heute Morgen übersehen hatte. John versuchte ihm die aktuelle Situation zu erklären. William Law hörte griesgrämig zu.
An seiner Seite strahlte die überaus hübsche und attraktive Rebecca Dives, die Tochter eines vermögenden Kohlenhändlers aus London. Sie versuchte, versöhnlich auf ihren Ehemann einzureden: »Er wollte dich nicht kränken. William.«
»Er hat mich nicht gekränkt«, brummte William, »ich bin nur etwas müde von der langen Reise.«
John Law schenkte Rebecca ein dankbares Lächeln. Sie erwiderte es spontan, was William nur noch mehr ärgerte. Kate und John junior wechselten bedeutungsvolle Blicke. Sie saßen gern zu Tisch, wenn ihre Eltern Gäste hatten. Sie beobachteten sie stillschweigend, zogen sich dann wohlerzogen in ihre Zimmer zurück und kugelten sich vor Lachen, wenn sie die Gäste und ihr sonderbares Verhalten imitierten.
»Ihr könnt bei uns wohnen, solange ihr wollt«, versuchte nun auch Catherine. William gnädig zu stimmen.
Rebecca sah Catherine mit einem etwas gequälten Lächeln an. Sie mochte diese Frau nicht sonderlich. Sie wirkte so dominant, souverän, und kein Mann in Gesellschaft hätte es jemals gewagt, sie zu übergehen, nur weil sie dem weiblichen Geschlecht angehörte. Das fehlte Rebecca. Rebecca war einfach schön. Schön und langweilig.
»Nun gut«, brummte William widerwillig, »kommen wir endlich zur Sache. Du hast mir geschrieben, dass du deine Bank gegründet hast und dass es nun viel zu tun gebe. Was bietest du mir an?«
»Lass uns morgen in der Bank darüber reden«, entgegnete John. William hatte sich kaum verändert. Er war immer noch der neidische kleine Bruder, der sich stets in seiner Ehre gekränkt fühlte und dennoch jederzeit bereit war, über diese Kränkung hinwegzusehen, wenn dabei für ihn ein paar Louisdor heraussprangen. John sah, dass es in William rumorte.
»William«, fing John erneut an, »wir haben hier jeden Tag eine neue Situation. Die Banque Generale ist bedeutender als die Entdeckung Amerikas.«
»An der Grenze erzählte uns jemand, dass deine Bank vor dem Bankrott steht«, sagte William ungehalten, »es würde mich sehr ärgern, wenn ich vergebens nach Paris ...«
»William«, lächelte Catherine, »Sie haben morgen noch den ganzen Tag Zeit, um schlechte Laune zu haben.« William und Rebecca schienen irritiert. »Der Duc d'Orleans«, fuhr Catherine fort, »hat John seine Unterstützung zugesagt. Mein Mann und ich bezweifeln sehr, dass er Wort hält. Aber ob er sein Wort hält oder nicht, werden wir morgen sehen. Wieso echauffieren wir uns also schon heute Abend über Ereignisse, die erst morgen stattfinden werden?«
»Du und deine Luftschlösser«, entgegnete William, »du warst schon immer ein Träumer, John ...«
»Vertraust du einem Gerücht mehr als den Worten deines Bruders?«, fragte John. Langsam war seine Geduld am Ende.
»Halten wir uns doch an die Fakten, Messieurs«, sagte Catherine mit gewohnt energischer Stimme: »Der Duc d'Orleans hat seine Hilfe zugesagt. Und morgen werden wir sehen, ob er Wort gehalten hat.«
»Wollen Sie uns das Gespräch verbieten, Madame?«, fragte William düpiert. Catherine schaute William missbilligend an: »Wir sind es in diesem Hause nicht gewohnt, endlos über Dinge zu debattieren, die wir nicht beeinflussen können. Wir hadern nicht mit den Dingen. Wir verändern sie. Und wenn das außerhalb unserer Macht liegt, akzeptieren wir sie.«
William und Rebecca sahen sich an. Dann sahen sie John an, als würden sie von ihm ein Machtwort erwarten. Doch John schenkte Catherine ein liebevolles Lächeln und nickte ihr zustimmend zu. John stand demonstrativ auf: »Wir haben morgen einen anstrengenden Tag vor uns.«
William blieb sitzen: »Ist es wahr, dass ihr immer noch nicht verheiratet seid?«
»Catherine ist verheiratet«, sagte John und grinste, »ich bin es noch nicht.«
»Wie ist das möglich?«, fragte Rebecca und legte ihre hübsche Stirn in kleine Falten. »Catherine ist noch verheiratet. John ist es noch nicht«, grinste William.
»Aber ihr habt doch zwei Kinder?«, entsetzte sich
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