Das Große Spiel
als er seinen Bruder auf sie zukommen sah. »Wie kann ich mich jemals bei dir bedanken? Ich habe dir Unrecht getan.«
John lächelte versöhnlich: »Du brauchst dich bei mir nicht zu bedanken, William. Und wenn du es dennoch tun willst, dann gib es in irgendeiner Form meiner Familie zurück. Meiner Frau Catherine, meinen Kindern John und Kate.«
»Wir sind entzückt, John«, entfuhr es Rebecca. Ihre Augen leuchteten wie die eines jungen Mädchens, »Paris vergöttert Sie.« Sie strahlte John an. »Wie einen König«, fügte sie schwärmend hinzu.
John spürte, dass Rebecca mehr als nur Gefallen an seiner Person gefunden hatte. Sein Bruder William tat ihm Leid. Rebecca sah den missmutigen Blick ihres Mannes und wiederholte trotzig, dass John Law tatsächlich wie ein König behandelt werde.
»Wo ein König ist, sind die Königsmörder nicht fern«, lachte John.
»Solchen sind wir heute auch begegnet«, sagte William leise, »ich hörte, das Parlament will dir Böses. Sie wollen von ihrem Recht der Remonstranz Gebrauch machen und dich vernichten.«
»Ja«, entgegnete John besorgt, »der Regent musste seinerzeit dem Parlament dieses alte Recht wieder zurückgeben, damit das Parlament ihn als Regenten akzeptiert. Er brauchte diesen Tauschhandel im Kampf gegen Spanien, das nach dem Tod des Sonnenkönigs seinen Anspruch auf die Krone geltend gemacht hatte.«
John verabschiedete sich von seinem Bruder und seiner Schwägerin. Er hatte im Hintergrund den Duc d'Orleans erblickt und ging kurz entschlossen auf ihn zu. Zu seiner großen Überraschung trank der Regent auch an diesem Abend nur Wasser.
Als der Herzog John Law auf sich zukommen sah, trat er ihm entgegen: »Kann ich noch etwas für Sie tun, Monsieur?«, fragte er gönnerhaft.
»Nein«, antwortete Law freundlich, »ich bewundere Ihren neuen Mut zur Klarheit.«
»Das gefällt mir«, lachte der Regent und erhob theatralisch sein Glas, »Mut zur Klarheit, das gefällt mir, Monsieur. Das ist gut. Sehr gut!«
»Sie haben Mut bewiesen, Monsieur le Regent, Sie werden es nicht bereuen. Doch nur wenn Sie nun auch den nächsten Schritt wagen, wird sich Ihr Mut bezahlt machen.«
»Noch einen Schritt?«, scherzte der Regent mit gespielter Empörung und lehnte das Glas Champagner, das ihm ein Diener anbot, ab. »Die Dienerschaft muss sich erst noch daran gewöhnen, dass Seine Königliche Hoheit nicht mehr säuft«, sagte der Regent leise, »das macht den Herren Ministern und Parlamentariern Angst. Dass ich an den Staatsgeschäften mittlerweile mehr Gefallen finde als am Hintern einer jungen Frau. Aber Sie, Monsieur Law, Sie machen mir Angst, wenn Sie noch weitere Schritte fordern.«
»Mit ein bisschen Puder kriegen Sie die Staatsfinanzen nicht mehr in den Griff, Monsieur le Regent. Sie können nicht ständig die Währung abwerten, um Ihre Schulden zu tilgen. Sie brauchen den Mut zur Offensive. Wir müssen die Bank nationalisieren. Die Bank braucht mehr Autorität, und die Kompanie müssen wir zur größten Handelsgesellschaft der Welt ausbauen.«
»Dafür müsste ich wohl das Parlament in die Bastille werfen«, grummelte der Regent. Jetzt schien er plötzlich wieder gelangweilt.
»Fangen Sie mit Noailles an, das wäre kein schlechter Anfang.«
Der Regent nickte: »Mut zur Klarheit. Das ist wirklich gut. Wenn Sie mich jetzt aber bitte entschuldigen wollen ...«
Der Duc d'Orleans hatte ein besonders apartes Indianermädchen entdeckt und ließ John Law stehen, ohne auf seine Worte des Abschieds weiter zu achten. Bis in die frühen Morgenstunden vergnügte sich der Duc d'Orleans mit einer Hand voll junger Indianerinnen inmitten der Theaterrequisiten, die hinter der Bühne gestapelt waren. Er lag da, fast ganz entblößt, auf einer römischen Liege zwischen antik bemalten Kaiserbüsten, Säulenfragmenten, ausgestopften Tieren, mit Kettenhemden überspannten Porzellanpuppen und künstlichen Bäumen, die man aus Holzbrettern herausgesägt und bemalt hatte. Als Crozat hinter die Bühne trat, zogen sich die Mädchen wieder an. Crozat machte ihnen Zeichen, ihm zu folgen.
»Wo wollen Sie denn hin, Crozat le Riehe?«, lachte der Due d'Orleans.
Aber Crozat hörte nicht auf ihn. Als er wieder auf die Bühne trat und mit den Mädchen die schmale Treppe zum Saal hinunterstieg, erkannte er Noailles und d'Argenson.
»Wo ist der Regent?«, rief Noailles Crozat zu.
Crozat zeigte hinter die Bühne. Wortlos ging er mit seinen Mädchen an Noailles und d'Argenson vorbei. »Wo sind die
Weitere Kostenlose Bücher